Mackie Messer (Claudius von Stolzmann) wird in die Mangel genommen: von Polly (Swintha Gersthofer, li.) und Lucy (Paula Nocker).

Foto: Moritz Schell

Was haben ein mafiöser Untergrundboss, seine unsentimentale Tochter und ein geheimnisvoller Gangster aus Soho mit uns zu tun? Mehr als es zunächst den Anschein hat. Und deshalb zählt Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill seit ihrer Uraufführung 1933 zu den erfolgreichsten Theaterstücken überhaupt. Das Drama verfolgt sozialpolitische Anliegen (Geldumverteilung), es bettet das Publikum mit sage und schreibe 22 Ohrwürmern auf ein rhythmisches Wasserbett, es führt in die Ferne (London unbekannter Zeit) und löst mit nüchternem Liebes- und Familienbusiness Guilty-Pleasure-Ansprüche ein.

In den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt findet man all das wieder. Mit einer Großproduktion von 24 Akteuren – fünfzehn Schauspieler und neun Orchestermusiker unter Christian Frank – haben sich Direktor Herbert Föttinger und sein durch die langen Schließzeiten finanziell gebeuteltes Haus für Klotzen statt Kleckern entschieden. Föttinger selbst spielt mit beneidenswertem Resonanzkörper den Bettlerkönig Peachum, dessen wie aus dem Berginneren ertönende Kraftstimme jedem Habenichts die letzte Hose vom Leib bläst.

Applaus für jede Nummer

Sein Kontrahent, der stadtweit gefürchtete Dieb Macheath, genannt Mackie Messer (Claudius von Stolzmann mit Joker-Affinität), hat sich unabgesprochen zum Schwiegersohn gekürt. Er gilt durch seine gute und in Torsten Fischers Regie als einseitig amourös definierte Beziehung zum Polizeichef (Dominic Oley) als allzu mächtig.

Wie all das in einen Kammerspielraum packen? Fischer sortiert die Chose gut. Er inszeniert ein formalisiertes Spiel auf Laufstegen. Alle Ränder der Guckkastenbühne wurden dafür gesprengt (Bühne und Kostüme: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos), die Laufstege führen hinab bis in den Orchestergraben. Choreografie und verständlicher Gesang sind die halbe Miete. Und in beidem lässt sich das Ensemble nicht lumpen.

Licht- und Nebeltheater

Mit Maria Bill als Frau Peachum ist eine gesangsfirme Schauspielerin an Bord. Aber auch Swintha Gersthofer als Polly und Susa Meyer als Spelunken-Jenny machen dem Haus gesangstechnisch alle Ehre. Das hingerissene Publikum applaudiert nach jeder Nummer.

Furore machen besonders die Frauenfiguren, für die Fischer in diesem Licht- und Nebeltheater viel Aufmerksamkeit aufbrachte. Gersthofer & Co erspielen sich herzhaft eine Bandbreite an Typen und Launen, von der okkulten Depressiven (Jenny) über die herrlich Pragmatische (Polly) bis zum giftigen Girlie (Paula Nocker als Lucy). Und das Beinballett der männlich besetzten Prostituierten brachte den Mond über Soho zum Zittern. (Margarete Affenzeller, 6.9.2021)