71 Prozent der falschen oder irreführenden Angaben entfallen auf Annalena Baerbock.

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Vor der Bundestagswahl in Deutschland ist laut der NGO Avaaz vor allem die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, Ziel von Desinformation in sozialen Netzwerken und Medien. Unter den drei Bewerbern für das Kanzleramt entfielen 71 Prozent der falschen oder irreführenden Angaben auf Baerbock, hieß es in einer Studie der Organisation vom Montag. Es folgt Unions-Kandidat Armin Laschet (CDU) mit 29 Prozent. Zum SPD-Spitzenmann Olaf Scholz gab es dagegen keinen Treffer.

Baerbock an der Spitze

Grundlage waren Faktenprüfungen durch die Organisation Correctiv sowie die Nachrichtenagenturen dpa und AFP. Untersucht wurden 800 Fälle zwischen Jänner und Ende August. 85 von ihnen zielten dabei auf insgesamt 30 deutsche Politiker.

Auch hier fand sich Baerbock mit 25 Prozent der Treffer an der Spitze. Es folgten mit 13 Prozent Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CDU-Chef Laschet und CSU-Chef Markus Söder mit jeweils zehn Prozent und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mit neun Prozent.

Auch wenn der Ursprung von Falschnachrichten oft in Sozialen Medien zu suchen sei, trügen Fernsehen und andere traditionelle Medien "zu einem großen Teil zur Verbreitung der Falschnachrichten bei", erklärte Avaaz unter Berufung auf eine Online-Umfrage des Instituts YouGov mit gut 2.000 Teilnehmern. Problematisch ist laut den Studienmachern, wenn traditionelle Medien über erwiesene Desinformation berichtet wird, ohne dies sofort deutlich zu machen.

Als Beispiel nennt Avaaz die Falschangabe, dass Baerbock eine Abschaffung von Haustieren fordere. Auch nachdem dies von Faktencheckern als unrichtig eingestuft worden sei, hätten Medien die Behauptung weiterverbreitet und etwa in Überschriften als offene Frage formuliert oder sogar zugespitzt.

Verantwortungsvolle Berichterstattung

Avaaz verlangte in den letzten Wochen Bundestagswahl deshalb einen "verantwortungsvollen Umgang mit Berichterstattung im Fernsehen und in den Mainstream-Medien über Desinformations-Narrative". Kampagnendirektor Christoph Schott forderte alle Akteure auf, sich die Frage zu stellen, ob sie nicht "gerade den Verbreitern von Falschnachrichten in die Hände" spielten, wenn sie "ihre Lügen aus Facebook-Gruppen und Telegram-Chats auf die Fernsehbildschirme und Handydisplays von Millionen deutschen Wählern und Wählerinnen zu bringen".

Kritik übte Avaaz auch an Facebook. So seien in der untersuchten Stichprobe beispielsweise mehr als 50 Prozent der erwiesenermaßen falschen Posts auf dem Netzwerk zu Baerbock "ohne Warnhinweise online ersichtlich", hieß es. Dies widerspreche dem Versprechen des Unternehmens, die Verhinderung der Verbreitung von Desinformation bei der Bundestagswahl zur Top-Priorität zu machen.

Avaaz verwies zudem darauf, dass der russische Sender RT DE im ersten Halbjahr 2021 auf Facebook mehr Interaktionen erzeugt habe als große traditionelle Medien – meist ging es dabei um das umstrittene Thema Impfen. Ein deutlicher Anstieg wurde den Angaben zufolge bereits seit August 2020 verzeichnet, was "zeitlich mit den ersten großen Protesten der 'Querdenken'-Bewegung und anderer Gegner der Corona-Maßnahmen" zusammengefallen sei. (APA, AFP, 7.9.2021)