Im Juli 2020 wurde das Modulo Sperimentale Elettromeccanico erstmals getestet, im darauffolgenden Oktober musste Venedigs neues Hochwasserschutzsystem Mose bereits gegen eine ordentliche Flut eingesetzt werden. Das umstrittene Sturmflutsperrwerk besteht aus beweglichen Fluttoren, die sich im Ernstfall aus dem Wasser heben und die Lagune an ihren drei Eingängen vom offenen Meer abschotten.

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Im Oktober 2020 wurde Venedigs Hochwasserschutzsystem Mose erstmals im Ernstfall hochgefahren. In wenigen Jahrzehnten könnte dies zum Dauerzustand werden.
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Kein Schutz gegen die Zukunft

Obwohl bereits 1986 angekündigt, wurde erst 2003 mit dem Bau von Mose begonnen. Verzögerungen und Anpassungen haben die Kosten des Werks im Lauf der Jahre von den ursprünglich veranschlagten 5,5 Milliarden auf acht Milliarden Euro anwachsen lassen. Nicht zuletzt seit dem verheerenden Hochwasser vom 12. November 2019, mit einem Wasserstand von 187 Zentimetern über dem Normalpegel dem schlimmsten seit über 50 Jahren, zeichnet sich ab, dass Italiens größtes Infrastrukturprojekt der Nachkriegszeit dem, was noch auf Venedig zukommen dürfte, womöglich nicht gewachsen ist.

Bereits eine 2018 veröffentlichte Studie im Fachjournal "Nature Communications" kam zu dem Schluss, dass die Folgen des Klimawandels für Venedig und dutzende andere Weltkulturerbestätten eine große Bedrohung darstellen. "Venedig werden wir verlieren, das ist nicht umstritten", meinte damals Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es sei nur eine Frage der Zeit.

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Der Markusplatz bietet hier fast schon einen gewohnten Anblick: Acqua alta im Dezember des Vorjahrs. In Zukunft dürfte es freilich wesentlich schlimmer werden.
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Im Extremfall bis zu 170 Zentimeter

Eine aktuelle Studie lässt befürchten, dass die Uhr für Venedig schneller abgelaufen sein könnte, als man zunächst angenommen hatte. Ein Team von Klima- und Meeresforschern warnt nun im Fachmagazin "Natural Hazards and Earth System Sciences" vor einem Anstieg des Meeresspiegels um mehr als einen Meter in den kommenden Jahrzehnten.

Sollte der Klimawandel nicht entscheidend gebremst werden, sei bis zum Jahr 2100 ein Anstieg um bis zu 120 Zentimeter möglich, hieß es. Als Extremszenario wurde sogar ein Anstieg um rund 170 Zentimeter berechnet.

Lagunensperre für das ganze Jahr

An dem Forschungsprojekt beteiligt waren Universitäten aus Venedig und Lecce in Apulien sowie das italienische Institut für Meeresforschung (Ismar). Die Wissenschafter mahnen, dass der infolge des Klimawandels steigende Meeresspiegel bei der Stadtplanung in Venedig und auch anderen Küstenorten dringend einkalkuliert werden müsse.

In der Prognose der Wissenschafter müsste die Mose-Barriere von 2075 an praktisch das ganze Jahr geschlossen bleiben, um die Stadt vor dem Meer zu schützen – was extreme Auswirkungen auf die Umwelt und die Wirtschaft der Lagunenstadt haben würde. (tberg, red, 7.9.2021)