Ebenso wie andere Coronaviren wird Sars-CoV-2 zwangsläufig zum Teil unseres Alltags werden, sagen Expertinnen und Experten seit Ausbruch der Pandemie. Eine Infektion nach doppelter Impfung macht die Immunität auf Dauer robuster, sagt der Virologe Christian Drosten.

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Eines scheint klar: Das Virus wird bleiben. Und auch Geimpfte werden mit ihm in Kontakt kommen. Zuletzt sorgten solche Durchbruchsinfektionen für Besorgnis. Für den deutschen Virologen Christian Drosten stellen Infektionen trotz Impfung aber kein Schreckgespenst dar.

Er sieht darin Vorteile auf dem Weg in die Koexistenz mit dem Coronavirus, denn die Impfung schütze "hervorragend vor schweren Verläufen" – wie Drosten in der aktuellen Folge des NDR-Podcasts erklärt. Die Kombination aus vollständiger Impfung und Infektion sei der beste Weg, um eine "langanhaltend belastbare Immunität zu erlangen".

Update für das Immunsystem

Tatsächlich lassen bisherige Studien darauf schließen, dass sich der Immunschutz durch eine Kombination aus Infektion und Impfung noch einmal extrem steigert. Forscherinnen und Forscher vermuten, dass die Antworten der neutralisierenden Antikörper um das 25- bis 100-Fache erhöht sind, was vor allem an den T-Zellen und B-Zellen liegt, die durch die Kombination aus Impfung und Infektion besonders aktiviert werden.

"Eine natürliche Infektion hat einen verstärkenden Effekt auf die Immunität durch eine Impfung", sagt auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch vom Nationalen Impfgremium (NIG). Ob doppelt Geimpfte dadurch besser geschützt sind als nach einer Auffrischungsimpfung, wisse man derzeit aber noch nicht.

Als gesunder Erwachsener, der doppelt geimpft ist, könne er eine Infektion aber für sich verantworten, sagt Drosten. "Es gibt andere Bevölkerungsgruppen, die können das natürlich nicht." Ältere Menschen, Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen oder jene, die immunsupprimierende Medikamente nehmen, würden hingegen Auffrischungsimpfungen brauchen.

Dritte Impfung

In Österreich empfiehlt das Nationale Impfgremium (NIG) für diese Gruppen sowie für Personen, die mit dem Vakzin von Johnson & Johnson oder Astra Zeneca geimpft wurden, sechs bis spätestens neun Monate nach der vollständigen Immunisierung eine Auffrischungsimpfung. Alle anderen sollen laut der aktuellen Anwendungsempfehlung nach spätestens einem Jahr eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Aus immunologischer Sicht spricht jedenfalls nichts gegen eine dritte Impfung auch für gesunde Geimpfte, wie etwa auch schon die Virologin und Impfstoffexpertin Christina Nicolodi auf STANDARD-Anfrage erklärte. "Jede Auffrischungsimpfung ist rein immunitätstechnisch nützlich", sagt auch Drosten.

Er geht allerdings nicht davon aus, dass es in Zukunft immer wieder neue Booster-Impfungen geben wird, die an die entsprechenden Mutationen des Coronavirus angepasst werden. Denn: "Eigentlich ist es nicht das Ziel für alle Zeiten, immer impfen zu müssen."

Die Frage nach Boosterimpfungen sei aber keine rein virologische, sondern auch eine ethische. Wichtiger als eine dritte Impfung für sich selbst hält es Drosten, dass etwa in Afrika Menschen zunächst überhaupt ihre erste Dosis erhalten. Aktuell sind erst zwei Prozent der Bevölkerung in Entwicklungsländern zumindest einmal geimpft.

Mahnung zur Vorsicht

Während eine zusätzliche Infektion für gesunde Geimpfte langfristig unvermeidbar ist, sollte man sich angesichts der aktuellen Lage allerdings auch als Geimpfter weiterhin an Maßnahmen halten und sich vorerst schützen. Vor allem wenn das eigene Umfeld nicht geimpft ist.

Der Zeitpunkt, das Virus "sozusagen durchlaufen zu lassen", sei "definitiv noch nicht gekommen", sagt Dorothee von Laer, Virologin an der Med-Uni Innsbruck, auf Nachfrage des STANDARD. Denn in Hinblick auf die Kapazitäten der Intensivstationen würden wir in den nächsten vier bis fünf Wochen nur haarscharf an einer Überlastung vorbeischrammen – wenn nicht sogar an die Grenzen stoßen.

"Erst muss die Kurve abflachen, und alle Risikopatientinnen und -patienten müssen die Chance gehabt haben, sich impfen zu lassen – oder die Impfung aufzufrischen." Das beziehe sich auch auf Risikopatientinnen und -patienten im Kinder- und Jugendalter.

Der Infektiologe Herwig Kollaritsch rät grundsätzlich davon ab, sich einer Infektion aktiv auszusetzen. "In seltenen Fällen kann es passieren, dass die Impfung nicht angeschlagen hat", sagt er. "Und das erfahren Sie dann erst bei der Infektion." (Eja Kapeller, Julia Palmai, Klaus Taschwer, 8.9.2021)