In den Kolonnen der Babyboomer – deren älteste bereits die für sie in Frage kommenden Pflegeeinrichtungen mit großem Interesse inspizieren – herrscht freudige Unruhe. Soeben haben uns Björn und Benny, Vorsitzende des schwedischen Unterhaltungskonzerns ABBA, eine Wiederbegegnung mit ihren besseren Hälften in Aussicht gestellt.

Damit sind nicht etwa Agnetha und Anni-Frid gemeint, sondern ihre Hologramme. Björn und Benny habe die Absicht kundgetan, in Bälde "scheinhaftig" für die Generation 50+ zum Tanz aufzuspielen. Und in der Tat: ABBAs Beispiel sollte Schule machen.

Ich, ein molliger Babyboomer mit weichen, knorpeligen Ohren, hatte in den mittleren Kreisky-Jahren mein Gehör nicht an die Schöpfer von "Chiquitita" verloren, sondern an: Smokie. Diese vier Herren aus Bradford (GB) drückten meine pubertierenden Gefühle mit unvergleichlichem Schmelz aus. In "I’ll Meet Yout at Midnight" besangen sie Jean-Claude und Louise-Marie, die einander in Paris beiwohnten – wohl weil dort das kulinarische Angebot unvergleichlich besser ist als in West Yorkshire.

Mit Erreichen des elften Wiegenfestes spielten sowohl ABBA als auch Smokie keine Rolle mehr. Desperados wie ich – mit von Mama eigenhändig eingenähten Hemdsärmeln (der dicke Hals!) – hielten es mit den Glam-Rockern von Sweet. Die sangen im schrillen Diskant, wie gefallene Engel. Dazu heulten Luftschutzsirenen. The Sweet waren lupenreine Zöglinge des Proletariats und kamen aus "Middlesex". Sie trugen zentimeterdick Schminke und standen auf Plateausohlen, hoch wie Thonet-Sessel. Manchmal kokettierten sie ungeniert mit Devotionalien des "Dritten Reichs".

Heute würden The Sweet (die Original-Besetzung!) nicht einmal mehr von der AfD zur Beschallung eines Bier-Anstichs in der Niederlausitz eingeladen werden. Aber sind wir uns ehrlich: Würden nicht sogar die Avatare von Smokie heute schlimme Falten werfen? (Ronald Pohl, 8.9.2021)