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Es gibt keine andere Art, von A nach B zu kommen, die mehr Erderwärmung und damit teure Klimaschäden verursacht als das Fliegen. Und auch wenn man diese Schäden bereits überall sieht, steigen auch ansonsten umweltbewusste Menschen weiter in den Flieger. Dass Verzicht hier zeitnah Abhilfe schafft, ist illusionär. Die Politik muss den Airlines strenge Regeln auferlegen und so das Fliegen sauberer machen. Technisch ist schon vieles möglich. Sind wir als Gesellschaft so weit?

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Zu fliegen wird immer viel Energie verbrauchen, es muss aber nicht unbedingt die Umwelt schädigen.
Foto: Getty / Miller

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Flugzeuge sind für etwa 3,5 Prozent der Erderwärmung verantwortlich. Damit wir künftig klimaneutral fliegen, braucht es nicht nur saubere Alternativen zu Kerosin, sondern Flieger werden vermutlich auch gewisse Regionen zu gewissen Zeiten meiden. Denn beim Fliegen entstehen nicht nur CO2-Emissionen, sondern auch Kondensstreifen. Die sind laut der wohl besten Schätzung von Wissenschaftern ein größeres Problem als das CO2. Wenn aus den Kondensstreifen Zirruswolken werden, die anders als andere Wolken wenig Wärme zurück ins All lassen, erwärmt sich die Erde. Fliegen manche Flugzeuge deshalb künftig höher?

Wissenschafter forschen daran, gemeinsam mit Wetterdiensten vorherzusagen, wann sich wo eher Zirruswolken und Ozon bilden, damit das künftig in die Flugplanung einfließen kann, sagt Sigrun Matthes vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Studien legen nahe, dass durch relativ kleine Änderungen in der Planung der Flüge große Effekte erzielt werden können. Eine Arbeit aus Japan sieht den Großteil der Erwärmung durch Kondensstreifen vermeidbar, wenn nur zwei Prozent der Flieger Routen ändern. Eine Studie unter Leitung von Matthes kommt auf 40 Prozent weniger Erwärmung bei nur einem halben Prozent mehr Treibstoffverbrauch.

"Die Flugbranche ist sehr daran interessiert", sagt Matthes, auch die Politik in Berlin, Brüssel und Paris. Auch die AUA ist über die Lufthansa an Arbeitsgruppen beteiligt. Es dauere aber eher noch fünf bis zehn Jahre, bis man das in der Praxis sehen werde, sagt die Physikerin.

Fliegen wird teurer werden

Funktioniert das, wäre es praktisch, weil die meisten Menschen nichts merken würden, aber Fliegen um die Hälfte weniger klimaschädlich wäre. Was man aber merken wird: Wenn nur irgendeine Chance bestehen soll, das Pariser Klimaziel zu erreichen, wird Fliegen teurer werden, um die CO2-Emissionen zu senken. Der Markt versagt beim Fliegen. Es ist viel zu billig, weil die ökologischen Folgekosten von unseren Kindern und Enkelkindern in Form von Konflikten, Hitzewellen und Unwettern getragen werden, nicht von den Passagieren. Das ist ökonomisch ineffizient, Ökonomen schlagen dafür seit jeher Umweltsteuern vor.

Teurer wird es auch, weil es zwar saubere Alternativen zu Kerosin gibt, die aber drei- bis fünfmal so teuer sein werden, sagt Stefan Gössling von der Universität Lund. Tickets dürften so in etwa doppelt so teuer werden, wären aber noch günstiger als vor 20 Jahren. Die Preise sind seither stark gesunken. Teurere Tickets sind laut Gössling schlicht notwendig, weil dann weniger geflogen werde. Es gibt kaum einen Zusammenhang in der Ökonomie, der so stark hält: Je billiger etwas ist, desto mehr wird davon gekauft. Anders als freiwilliger Verzicht in umweltbewussten Zirkeln würde das aber tatsächlich den Flugverkehr reduzieren.

Ohne Reduktion wird es nicht gehen

Und ohne Reduktion wird es sehr, sehr schwer. Um Kerosin nachhaltig herzustellen, braucht es Unmengen an erneuerbarem Strom. In einem Szenario ohne steigende Ticketpreise wäre es notwendig, in kurzer Zeit unfassbare Mengen für Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. Um den globalen Bedarf an nachhaltigem Kerosin (E-Kerosin) zu decken, bräuchte es 2050 240.000 Quadratkilometer Photovoltaik, das ist mehr als die Fläche Rumäniens. In einem Szenario, das steigende Ticketpreise annimmt, wird weniger geflogen, und es sind "nur" mehr 140.000 Quadratkilometer notwendig. Das ist noch immer fast zweimal Österreich.

Auch das ist schon sehr viel, denn sauberen Sonnen- oder Windstrom braucht es auch für Häuser, Autos, Lkws, Schiffe, die Stahlindustrie, Kraftwerke und so weiter; und das in kürzester Zeit. "Der Energiebedarf wird unermesslich sein, das ist eine Herausforderung, die die wenigsten verstehen. Darum kann der Ausbau nicht schnell genug gehen", sagt Gössling. "Wer denkt, dass er groß denkt, sollte größer denken. Egal wie viel wir bauen, es wird nicht genug sein."

Produktion in Kinderschuhen

Derzeit steckt die Produktion von E-Kerosin noch in den Kinderschuhen. In großer Menge wird es noch nirgends hergestellt. Am Karlsruher Institut für Technologie läuft eine Demoanlage. Peter Pfeifer, der dort forscht, hat vor ein paar Jahren auch ein Unternehmen namens Ineratec ausgegründet. 2022 will Ineratec in Frankfurt die weltgrößte Anlage in Betrieb nehmen und 3.500 Tonnen synthetische Treibstoffe produzieren. In Österreich wurden im ersten Halbjahr heuer aber alleine über 100.000 Tonnen Kerosin getankt.

Pfeifer rechnet am Anfang mit Kosten von drei bis vier Euro pro Liter Kerosin. Das ist bis zu zehnmal teurer als fossiles Kerosin, das derzeit 40 Cent kostet. "Der Preis muss auf 1,50 pro Liter runter." Kostet E-Kerosin 1,50 Euro pro Liter, verdoppelt das den Preis pro Flug in etwa. Kerosin macht etwa ein Drittel der Kosten aus. Je mehr produziert wird, desto billiger wird der Treibstoff. Praktisch ist, dass man das so hergestellte E-Kerosin zum herkömmlichen mischen kann. "Wenn die Politik zunächst nur vorschreibt, dass kleine Mengen beigemischt werden müssen, kann man sich am Anfang auch höhere Preise leisten", sagt Pfeifer.

Erneuerbares Kerosin

Und genau das hat die EU-Kommission vor. Wie beim Diesel, wo schon eine Beimischung von sechs Prozent Biosprit verpflichtend ist. Das meiste davon stammt aus Altspeiseöl. Das könnte zunächst auch von Airlines verwendet werden, ist aber langfristig keine Alternative, weil es zu wenig davon gibt. Die Kommission schreibt alle fünf Jahre neue Quoten vor, ab 2030 sollen 0,7 Prozent E-Kerosin verwendet werden, bis 2050 dann 28 Prozent. Das ist einer der ambitioniertesten Pläne weltweit, geht Forschern aber nicht weit genug. Es gibt noch eine eigene Quote für alle nachhaltigen Treibstoffe wie etwa Biosprit, die muss 2030 schon fünf Prozent betragen und 2050 63 Prozent.

Für Produzenten von E-Kerosin wie Pfeifer ist klar: Solange Kerosin so billig ist wie jetzt, setzt sich die Alternative nicht durch. "Es ist immer billiger, ein Loch in den Boden zu bohren und Erdöl rauszuholen, als umständlich aus verschiedenen Stoffen ein Ersatzprodukt zu bauen, wie wir das machen." Absurderweise wird Kerosin de facto nirgendwo auf der Welt besteuert, anders etwa als Benzin, Diesel oder Heizöl. Warum?

Die Chicago-Konvention

1944 haben sich international Staaten auf die Chicago-Konvention geeinigt, man wollte nach dem Weltkrieg die Luftfahrt fördern. Das ist auch gelungen. Die zurückgelegten Passagierkilometer haben sich versiebzigfacht, von 109 Milliarden Kilometer (1960) auf 8.269 Milliarden Kilometer (2018). Damals einigte man sich darauf, dass beispielsweise Österreich kein Kerosin besteuern darf, das ein Flieger aus den USA mitnimmt.

Was hier getankt wird, dürfte aber sehr wohl besteuert werden. Es hat sich aber durchgesetzt, Kerosin überhaupt nicht zu besteuern, und das ist auch in Abkommen zwischen vielen Ländern geregelt. Für Flüge innerhalb der EU sollen ab 2033 38 Cent pro Liter Steuer bezahlt werden. Ab 2024 wird das sehr langsam mit vier Cent eingeführt. Internationale Flüge zu besteuern ist den Staaten erlaubt, diese müssten dafür aber bestehende Verträge neu verhandeln. Internationale Steuern sind seit jeher schwierig.

Konflikt mit China

Als die EU 2012 einführte, dass alle Airlines für ihre Flüge aus der EU und in die EU CO2-Zertifikate kaufen müssen, gab es einen Konflikt mit China. Das Land weigerte sich, eigene Airlines von Brüssel besteuern zu lassen Die Kommission lenkte ein und beschränkte die Regelung auf Flüge innerhalb der Union. Für einen Flug von Wien nach Brüssel zahlt die Airline also für CO2, für den Flug nach New York oder Schanghai nicht. 2019 wurde noch jedes zweite Zertifikat, das am Markt 60 Euro kostet, verschenkt, 2027 soll das nun enden.

Darum ist umso bemerkenswerter, was die Kommission in der Schifffahrt vorgeschlagen hat. Auch die soll in den Emissionshandel integriert werden. Eine Reederei, die ein Schiff von Rotterdam nach Boston fährt, braucht für die Hälfte der Emissionen künftig Zertifikate. Die EU-Kommission verweist für internationale Flüge aber auf die UN-Luftfahrtorganisation ICAO, die aber seit jeher verständlicherweise nur minimale Kompromisse produziert, weil sich China, Russland, die USA, die EU und Co einigen müssen.

Das Problem des Vorreiters

Die EU ist einerseits Vorreiter in der Bepreisung von CO2 in der Luftfahrt, andererseits hat ihr Modell zwei große Schwachstellen. Internationale Flüge sind ausgenommen, machen aber einen Großteil der Emissionen aus. Und, mindestens genauso wichtig: Wer nur auf CO2 schaut, vergisst Kondensstreifen, Stickoxide und Wasserdampf, die ebenfalls die Erde weiter erwärmen. Die beste wissenschaftliche Schätzung geht davon aus, dass der Effekt davon in etwa doppelt so hoch ist wie die CO2-Emissionen.

Wenn also die echten Kosten der Luftfahrt im Preis des Zertifikats enthalten sein sollen, muss er Daumen mal Pi doppelt so hoch sein, sagt Tourismusforscher Stefan Gössling. Airlines hätten so einen Anreiz, Nicht-CO2-Emissionen rasch zu senken, indem sie beispielsweise in der Flugplanung darauf achten, dass sich keine Zirruswolken bilden. Gössling hält derzeit einen Preis von 100 Euro für die Tonne CO2 für angemessen, für die Luftfahrt würden also 200 Euro anfallen. Für Wien–New York und zurück wären dann 600 Euro mehr fällig.

Nationale Abgaben

Das würde auch den Anreiz, nachhaltige Treibstoffe zu verwenden, sofort massiv erhöhen. Für jeden Liter E-Kerosin, der mehr getankt wird, wäre weniger CO2-Steuer fällig. Für die nächsten zehn Jahre ist er außerdem von der Kerosinsteuer befreit. Gössling hält es aber nicht für realistisch, dass Flüge bald international besteuert werden. "China, Russland und die USA haben in der Vergangenheit den gesamten Fortschritt blockiert." Die USA unter Joe Biden seien jetzt offener, dafür gebe es aber mit Brasilien einen neuen Blockierer.

"Es gibt beim Klima keine Wartezeit mehr auf Neuverhandlungen", sagt Gössling. Für am realistischsten hält er, dass einzelne Staaten vorangehen. In Großbritannien gebe es heute schon eine Flugabgabe, die mit der Distanz des Fluges steige. Ab 2.000 Kilometer von London aus müssen 180 Pfund (210 Euro) bezahlt werden. In Österreich sind seit dem Vorjahr für Kurzstreckenflüge 35 Euro fällig, für längere aber lediglich zwölf Euro. Airlines können für internationale Flüge von Wien aus also weiter de facto gratis CO2 ausstoßen. Auf Nachfrage beim Klimaministerium heißt es nur, die Abgabe sei erst erhöht worden.

Noch ist sehr viel zu tun

Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten lassen also weiterhin den Großteil der Emissionen des Flugverkehrs unbesteuert. CO2 und bald auch Kerosin haben auf Flügen innerhalb der EU einen Preis. Die Einspeisequote für E-Kerosin gilt aber für alle Airlines, die in der EU tanken, und wird im Laufe der Zeit Nachhaltigkeit und Kosten stark erhöhen. Wenn das nicht wieder zu internationalen Verwerfungen führt, ist die EU damit ein Vorreiter und sorgt dafür, dass Passagiere nach und nach die vollen Umweltkosten selbst tragen.

Fliegen wird dadurch teurer werden. Wie bei der Steuerreform in Österreich können soziale Härten einfach ausgeglichen werden, in dem ein Klimabonus ausbezahlt wird. Für manche Airlines wird es eng, denn die Gewinne sind in der Branche jetzt schon niedrig. "Wenn man das alles zusammenrechnet, ist das wirtschaftlich einfach nicht machbar", sagt Julia Kraft, die bei der AUA für Nachhaltigkeit zuständig ist. "Es muss politisch geholfen werden."

Werden die Menschen mitmachen? Stefan Gössling meint, dafür müsse man eine Grauzone nutzen, die die Forschung offenbare. Viele Leute seien nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Vielleicht fliege man etwas heimlicher, aber man fliege weiter. Spricht man die Menschen aber nicht als Konsumenten an, sondern als Bürger, seien in Deutschland zwei Drittel bereit, Regeln zu akzeptieren, die für alle gelten. Die Vorschläge der EU sind der Anfang dafür.

Im nächsten Beitrag dieser Serie geht es darum, wie man CO2 aus der Luft entnehmen kann – und ob das gegen den Klimawandel hilft. Melden Sie sich für den Gratis-Newsletter an, um ihn nicht zu verpassen. (Andreas Sator, 10.10.2021)