Das Bundeskanzleramt teilte im Vorfeld des Live-Interviews mit, was der Inhalt sein würde.

Foto: ORF / Robert Zach-Kiesling

Es war für die Interviewerin eine seltsame Situation, aber auch für viele Zuseher: Wer sich dafür interessierte, konnte bereits vorab wissen, was Sebastian Kurz im ORF-Sommergespräch sagen würde. Oder zumindest sagen wollen würde. Denn das Bundeskanzleramt teilte im Vorfeld des Live-Interviews mit, was der Inhalt sein würde: Der Kanzler würde den Corona-Plan für den Herbst vorstellen und plane eine Steuerentlastung als Antwort auf steigende Inflation. Samt vielen Details.

Viele Medien bekamen diese Information samt fünf Schwerpunkten im Umgang mit der Pandemie am späten Nachmittag mit einer Sperrfrist, Punkt 19 Uhr schaltete die Austria Presse Agentur und mit ihr viele Onlinemedien die Nachricht frei: "Kurz will Intensivstationsbelegung als neuen ‚Leitindikator‘ – Kanzler will im ORF-Sommergespräch Schwerpunkte für die Herbstarbeit vorstellen." Das Sommergespräch selbst startete kurz nach 21 Uhr, da waren die wesent lichen Inhalte von den anderen Medien bereits aufgearbeitet. Das war ziemlich genau das Gegenteil eines Exklusivgesprächs.

Antworten auf nicht gestellte Fragen

Und tatsächlich gelang es Kurz, in dem Gespräch mit ORF-Journalistin Lou Lorenz-Dittlbacher praktisch alle vorab angekündigten Inhalte unterzubringen, er gab also auch Antworten auf so gar nicht gestellte Fragen. Beobachter sehen das als Verfeinerung der Message-Control.

Weniger fein fand den Vorgriff offenkundig Lorenz-Dittlbacher. "Ich habe heute da oder dort übrigens Aussagen vom Kanzler gelesen, die gestern im Sommergespräch gar nicht gefallen sind. Wer auch immer woher auch immer Vorabinfos hatte: Dass ich ausschließlich meine Fragen gestellt habe, ist selbstverständlich und hat man wohl gemerkt." Auf Anfrage unterstreicht sie: "Ich habe absolut nichts an meinem Konzept verändert. Genau die Fragen gestellt, die ich stellen wollte. Verwundert hat mich, dass die Vorabinfos so breit übernommen wurden, ohne eine Sekunde des Liveinterviews gehört zu haben."

Eine Störaktion von "Links" indes blieb nahezu unbemerkt. Während des Sommergesprächs wurde auf das Leopold-Museum ein Schriftzug projiziert: "Sebastian Kurz sponsored by Novomatic". Das wiederum hat die ORF-Regie lieber nicht gezeigt. (red, 7.9.2021)