Der neue Ikea am Westbahnhof mit seinen Solarpaneelen, Bienenstöcken, Vogelnestern und Bäumen soll bloß der Anfang sein. Grüner und digitaler will der schwedische Möbelkonzern werden, ein Standort nach dem neuen Wiener Vorbild ist in Kopenhagen in Planung. Dabei wurde die Eröffnung des Vorzeigestandorts in Wien von Protesten begleitet. Aus der Zivilgesellschaft kommt immer wieder der Vorwurf, Ikea betreibe Greenwashing – verkaufe sich als grün, sei es aber nicht. Aktivisten werfen Ikea Landraub und Menschenrechtsverletzungen vor. Die Möbel seien kurzlebig und nicht nachhaltig.

Bis zum Ende der Dekade verspricht Ikea, vollständig auf Kreislaufwirtschaft umzustellen, wie Alpaslan Deliloglu im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach erklärte. Der Österreich-Chef des Möbelkonzerns sprach im Rahmen einer Podiumsdiskussion, die von Ikea gesponsert wurde. Kritische Nachfragen gab es dort kaum. DER STANDARD hat Deliloglu nach der Veranstaltung getroffen und gefragt, wie grün die Pläne von Ikea wirklich sind.

STANDARD: Sie wollen bis 2030 auf Kreislaufwirtschaft umstellen. Was bedeutet das?

Deliloglu: Dass wir 2030 CO2-neutral sein werden – und zwar im Rohstoffverbrauch, in der Produktion, im Handel. In der gesamten Lieferkette. Wir werden nur noch erneuerbare oder recycelbare Rohstoffe einsetzen, also beispielsweise Holz, Glas oder Baumwolle. Unsere Produkte sind bereits zu 60 Prozent aus erneuerbaren und zu zehn Prozent aus recycelbaren Materialien.

STANDARD: Warum sprechen Sie dann von Kreislaufwirtschaft? Damit suggerieren Sie, dass die Materialien im Ikea-System bleiben. Dass Sie also auch die Abfälle zurücknehmen und wiederverwerten.

Ikea-Österreich-Chef Deliloglu: "Wir sichern soziale Rechte."
Foto: APA/Hans Punz

Deliloglu: Wenn die Ressourcen einen neuen Lebenskreislauf beginnen können, sollte man von Kreislaufwirtschaft reden.

STANDARD: Kreislaufwirtschaft heißt auch eine möglichst lange Lebensdauer von Produkten. Ikea-Möbel haben nicht den Ruf, besonders langlebig zu sein.

Deliloglu: Wir starten einen Reparaturdienst. Wenn ein Stück nicht beschädigt ist, kaufen wir es für die Hälfte des Preises und behalten es im Kreislauf. Wenn es beschädigt ist, aber repariert werden kann, zahlen wir 30 Prozent.

STANDARD: Wenn Ikea auf Kreislaufwirtschaft umstellt, heißt das also, dass Ikea Teil eines größeren Kreislaufs wird?

Deliloglu: Wir streiten unsere Verantwortung nicht ab, aber alle tragen Verantwortung. Die größte Verantwortung tragen die Konsumenten. Sie sind auch Wähler. Sie entscheiden, wer den Staat lenkt und die Rahmenbedingungen festlegt. Sie können nicht nur ein nachhaltigeres Leben führen, sondern auch als Wähler handeln.

STANDARD: Ikea ist einer der größten Holzverbraucher der Welt. Mit seinen Plänen wird der Bedarf weiter steigen. Was ist an den immer wiederkehrenden Vorwürfen der illegalen Rodungen und des Landraubs dran?

Deliloglu: Wir arbeiten fast ausschließlich mit IFC-zertifiziertem Holz. Das heißt, für jeden gefällten Baum werden zehn neue gepflanzt.

STANDARD: Es ist nichts dran an den Vorwürfen der Aktivisten?

Deliloglu: Nein, unser Verhaltenskodex stellt das sicher. Aber es ist wichtig, dass es eine kritische Zivilgesellschaft gibt, die genau hinschaut und Sachen aufdeckt. Wäre etwas dran, würden wir natürlich sofort handeln.

Ikea übt sich am Wiener Westbahnhof mit einem kleineren Standort in einem grünen Image und erntet damit nicht nur Wohlwollen.
Foto: Andy Urban

STANDARD: Was ist das für ein Verhaltenskodex?

Deliloglu: Wer mit Ikea zusammenarbeitet, muss sich an unseren Verhaltenskodex halten. Dieser sichert sowohl ökologische als auch soziale Standards. Ein Beispiel: Als ich in der Türkei gearbeitet habe, waren die von Ikea gesetzten Standards für den Gebrauch von Chemikalien höher als die Standards des Gesetzgebers. Partnerunternehmen mussten sich an den Kodex von Ikea halten. Wir haben mehr als 1.000 Partner in der Produktion, alle werden mindestens einmal im Jahr unangekündigt kontrolliert. Hält sich ein Partner nicht an die Regeln, können wir den Vertrag sofort beenden. Wissen Sie, was das für Produzenten heißt, einen Vertrag mit einem riesigen Kunden wie Ikea zu verlieren?

STANDARD: Was ist mit Ihren Subunternehmen? Kontrollieren Sie auch diese?

Deliloglu: Wir dürfen auch Subunternehmen kontrollieren, jederzeit und ohne Ankündigung. Wir sichern nachhaltiges Wirtschaften und soziale Rechte zu hundert Prozent.

STANDARD: Zurück zum Wiener Westbahnhof. Es gab auch Vorwürfe, dass es keine Lösung für das gestiegene Verkehrsaufkommen durch den neuen Standort gebe.

Deliloglu: Wir haben das mitverfolgt und beobachten diese Debatte sehr genau. Fakt ist aber, dass es bis heute keine Beschwerden von Menschen aus der Nachbarschaft gab. Wir haben für den neuen Ikea das Greenpass-Zertifikat bekommen, das Nachhaltigkeit und soziale Aspekte berücksichtigt. Aber wir haben uns auch darauf geeinigt, Verantwortung zu übernehmen. Es gibt einen gut gefüllten Topf, mit dem wir die Gemeinde oder den Bezirk bei Lösungen unterstützen. Wenn wir unseren Nachbarn helfen müssen, werden wir das gerne tun. (Aloysius Widmann, 8.9.2021)