Wer dieser Tage nach Ereignissen sucht, bei denen sich Satire und das echte Leben so nahe kommen, dass sich eine Unterscheidung langsam schwierig gestaltet, wird nicht nur in der österreichischen Innenpolitik fündig. Auch in Teilen der amerikanischen Rechten scheint der Bezug zur Realität etwas lose geworden zu sein. Gemeint sind dabei jene, die trotz akuten Beweismangels nach wie vor von Wahlbetrug sprechen, Donald Trump weiterhin für den legitimen Präsidenten halten, gebannt auf neue Hinweise von Q warten und Meinungsfreiheit mit Behauptungsfreiheit verwechseln.
Das ist offenbar auch die Zielgruppe, die sich der als junger Bitcoin-Millionär bekannt gewordene Eric Finman für sein neuestes Angebot ausgesucht hat. Sein Smartphone, das "Freedom Phone", soll den selbsternannten Patrioten ein Werkzeug in die Hand geben, um der gefühlten Unterdrückung durch Big Tech zu entgehen.
Seit Mitte Juli wirbt Finman – unterstützt auch von prominenten Persönlichkeiten aus dem Alt-Right-Spektrum – für das Handy. Und ungefähr eben so lange warnen Experten vor einem möglichen Sicherheitsdebakel.
Budget-Hardware
Nun hat die Auslieferung begonnen, wobei Neukunden wegen angeblich hoher Nachfrage erst im November mit der Zustellung rechnen dürfen. Zudem hat man mittlerweile auch die technischen Spezifikationen des Freedom Phones verraten. Die Bedenken wurden damit allerdings nicht ausgeräumt.
Es handelt sich sehr offensichtlich um ein Einsteiger-Smartphone. Eine nicht näher genannte Octacore-CPU – wohl aus dem Hause Mediatek – wird flankiert von 4 GB RAM und 64 GB Speicher, wobei letzterer mittels microSD-Karte erweiterbar ist. Dazu gibt es ein Sechs-Zoll-Display mit einer HD-Auflösung von 1560 x 720 Pixel. In Sachen Konnektivität werden LTE, zwei SIM-Slots, Bluetooth, NFC und Wifi 5 (802.11ac) aufgeboten. Auch einen Kopfhöreranschluss gibt es.
Der 4000-mAh-Akku wird über den USB-C-Anschluss aufgeladen. Die Kamera bietet ein Triple-Modul mit einer 13-MP-Hauptkamera auf, der zwei 2-MP-Sensoren beigestellt sind. Die Frontkamera liefert Bilder mit 8 Megapixel.
Umidigi-Stangenware
Vorinstalliert ist anstelle des ursprünglich angekündigten Freedom OS nun ein vom Mobilfunkpartner Clear Cellular gebrandetes System namens Clear OS, das auf Android 10 basiert. Auszeichnen soll es sich durch nicht näher genannte Anti-Tracking-Features und einen "unzensierbaren" App-Store namens "PatriApp". Vorinstalliert sind unter anderem die App des Rechts-außen-Senders One American News (OAN) und jene des sozialen Netzwerks Parler, das nach dem Angriff auf das US-Kapitol monatelang aus Apples App-Store verbannt war und auf Google Play weiterhin nicht mehr gelistet ist.
Bereits zur Vorstellung des Telefons war vermutet worden, dass es keine Eigenentwicklung ist, sondern eine Auftragsfertigung des kleineren chinesischen Herstellers Umidigi. Gegenüber "Daily Beast" bestätigte Finman diese Annahme.
Erbitterte Big-Tech-Gegner akzeptieren Apple Pay
Aus diesem Umstand ergeben sich zwei weitere Fragen. Da wäre etwa jene bezüglich der Sicherheitsupdates, denn Umidigi ist schon bei seinen eigenen Geräten nicht gerade bekannt für zuverlässige Softwarepflege. Für Verwunderung sorgt auch der Kaufpreis des Freedom Phone, der bei stolzen 500 Dollar liegt. Ähnlich ausgestattete Smartphones verkauft Umidigi nämlich im Preisbereich von 100 bis 200 Euro.
Wenn es um Geld geht, scheint die Aversion der Anbieter gegen Big Tech zudem doch zu schwinden. Bezahlt werden kann das Gerät per Kreditkarte. Es sei denn, man nutzt ein Apple-Gerät. Dann lässt sich der Kaufbetrag für das "Patriotenhandy" made in China nämlich auch mit Apple Pay begleichen. (gpi, 8.9.2021)