Champa: Zwei Schwestern und ihre Mama kochen Wiens Standard südostasiatischer Küchenkunst in neue Höhen.

Der Vater von Socheata Scheidel und Vannary Hour ist via China aus Kambodschas legendenumwobener Pfefferstadt Kampot eingewandert, die Mutter mit Vorfahren aus den Philippinen und Vietnam aus Phnom Penh. Insofern ist es kein Wunder, dass in der Familie virtuos gekocht wird und dem Essen im Alltag eine zentrale Rolle zukommt. Dennoch trifft es einen ziemlich unvorbereitet, wenn man weit draußen in Atzgersdorf (aber nur fünf Gehminuten von der S-Bahn) in einer neu hochgezogenen Siedlung plötzlich vor einem Restaurant mit klarer Formensprache steht, aus dem es so wunderbar exotisch duftet, dass man gar nicht anders kann, als reinzugehen. Ob man das Glück hat, dann auch einen freien Tisch zu ergattern, steht aber auf einem anderen Blatt.

Was neben dem feinen Duft gleich auffällt, ist die qualitätvolle Gestaltung: hohe Wände aus geschliffenem Beton, helles Holz, schmale Leuchten von Prolicht aus Tirol, die coolen Cross Chairs von der dänischen Designschmiede Takt, dazu sehr elegante Tische aus Leichtbeton von Messoni aus Niederösterreich – sehr stilsicher das alles.

Die Sommerrollen, Salate und anderen kalten Gerichte werden direkt hinter der Budel gefertigt, da stehen auch die Kräuter in großen Büscheln bereit. Die Küche mit den Woks und Suppentöpfen ist durch eine Tür vom Gastraum getrennt. Mama Chenda Chuop ist mal hier, mal da, dasselbe gilt für die Töchter: Jeder kann und macht alles, die Stimmung ist auch bei Vollauslastung von konzentrierter Gelassenheit geprägt. Ausgesuchte Qualität auch bei den Zutaten: Fleisch von Wiens letztem noch selbst schlachtendem Fleischhauer Hödl, der nur ein paar Minuten entfernt ist; Fisch von Österreichs Top-Betrieb Eishken; Kräuter zum Teil aus eigenem Anbau.

Das merkt man spätestens, wenn das Essen kommt. Die Suppe Sgnor Chrouk Moan zum Beispiel (siehe Bild), in einer tiefblauen Keramikschale von Ricarda Stahl (Ricis Art) aus der Leopoldstadt: ein Zaubertrank von einer Hühnersuppe mit Zitronensaft, Kaffirlimettenblättern und Limettensaft, mit saftigem Hendl, Schalotte, süßem Basilikum; schwebend leicht und doch kraftvoll, scharf und sauer, aber auch süß, kraftvoll gewürzt und doch ganz sauber in der Anmutung – nimmt einen voll und ganz in Beschlag. Oder vegetarische Sommerrollen, selbstredend frisch gerollt, knackig, ätherisch, mit Mu-Err-Pilzen, viel Shiso und anderen Kräutern, so gut wie nirgends sonst in der Stadt.

Gut, besser, Nektarine

Pleah Sach Ko, Salat aus rosa gebratenem Rind, mit geröstetem Klebreis, Zitronengras, Schlangenbohnen, Minze, gerösteten Erdnüssen und einem himmlischen Dressing aus Fischsauce und Limette, jagt einem die Glücksschauder durchs Hirn. Aber dann kommt noch Nhoam-Nektarine auf den Tisch, knackige Nektarinen-Julienne mit vietnamesischem Koriander, Fischsauce, gerösteten Erdnüssen und Minze: pure Frische, euphorische Saftigkeit, Salat aus einer besseren Welt.

Sgnor Chrouk Moan: Hühnersuppe mit Zitronensaft, Keffirlimettenblättern und Limettensaft, Hendl, Schalotte und Basilikum
Foto: Gerhard Wasserbauer

Reisnudeln mit Fischcurry, eine zart suppige Angelegenheit setzt auch da noch was drauf: Eine ganze, pochierte Goldbrasse wird filetiert und mit Galgant, Kurkuma, Kaffirlimettenblättern im Mörser gestampft, bevor alles mit den Nudeln im Pochierfond landet – wahnsinnig zart, balanciert, duftig, macht einen zum besseren Menschen, für einen Moment wenigstens. Man darf sich also nicht wundern, dass hier ohne Reservierung gar nichts geht und die Genießer längst vom anderen Ende der Stadt anfahren, um hier vom Glück zu kosten. Ach ja: Das fantastisch süffige 100-Blumen-Bier von der Brauerei nebenan gibt es vom Fass – S-Bahn ist auch aus diesem Grund das Verkehrsmittel der Wahl. (Severin Corti, RONDO, 10.9.2021)