Die technische Intelligenz von Goffin-Kakadus scheint keine Grenzen zu kennen. Selbst komplexe Schließmechanismen durchschauen sie allein durch die Beobachtung.

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Gerade erst haben Wissenschafter über ihre erstaunlichen Fähigkeiten im Umgang mit selbst gebautem "Besteck" oder bei der Weitergabe von Wissen berichtet, schon erscheint die nächste Studie zur Intelligenz von Kakadus: Die Papageienvögel – konkret Goffin-Kakadus – lernen überraschend schnell, identisch aussehende Objekte allein anhand ihres Gewichts zu unterscheiden. Die Vögel sind bei der Lösung dieser Aufgabe sogar deutlich schneller als Menschenaffen, wie Wiener Verhaltensforscherinnen im Fachjournal "Biology Letters" der Royal Society berichten. Dass sie diese Fähigkeit besitzen, hat wahrscheinlich mit ihrem Lebensstil zu tun.

Das Gewicht eines Gegenstands ist für Tiere eine wertvolle Information, wenn es darum geht, seinen Wert etwa als Nahrung oder als Werkzeug zu beurteilen. So bevorzugen Kapuzineraffen schwerere Nüsse und Sperlingsvögel werfen bei der Nahrungssuche leichtere Pflanzensamen eher weg als schwere. Bei Schimpansen ist das Gewicht von Steinen entscheidend, wenn sie diese als Werkzeug zum Aufknacken von Nüssen auswählen.

Für Affen eine schwere Aufgabe

Bisherige Forschungsarbeiten zu dem Thema, die sich vor allem auf Primaten konzentrierten, zeigten, dass Affen "überraschende Schwierigkeiten mit den ihnen gestellten Aufgaben hatten", schreiben die Wissenschafter um Alice Auersperg vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien in der Arbeit. So benötigten etwa Schimpansen, Bonobos oder Orang-Utans hunderte Versuche, um verlässlich zwischen optisch identen leichten und schweren Objekten zu unterscheiden.

Poppy Lambert von der Vetmed-Uni und Alexandra Stiegler vom Department of Behavioural Biology der Universität Wien haben für ihre Arbeit eine Versuchsreihe mit 16 Goffin-Kakadus (Cacatua goffiniana) durchgeführt. Die Hälfte der Vögel wurde trainiert, zunächst zwei unterschiedlich schwere (23 und 4 Gramm), zwei Zentimeter große Kugeln zu unterscheiden, die auch verschiedene Farben hatten. Mit dieser Vorerfahrung sollten die Tiere dann ihre Kompetenz auch bei optisch identen, aber unterschiedlich schweren Objekten unter Beweis stellen. Die zweite Gruppe ging gleich an diese schwierigere Aufgabe mit optisch identen Kugeln.

40 bis 60 Versuche

Jene Tiere, die mit farblicher Unterstützung die Gewichte unterscheiden sollten, brauchten dafür durchschnittlich 40 Versuche. Bei jenen, die ausschließlich farblich gleiche Kugeln nach Gewicht unterscheiden sollten, waren im Schnitt rund 60 Versuche notwendig.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Goffin-Kakadus in der Lage sind, zwischen visuell identischen Objekten mit unterschiedlichem Gewicht zu unterscheiden", so die Wissenschafter. Als "bemerkenswert" werten sie, dass die Papageien schneller in der Lage sind, Objekte nur anhand des Gewichts auseinanderzuhalten, als Affen, die dafür deutlich mehr Versuche benötigten.

Umwelt und Lebensstil

Für Poppy Lambert ist das ein spannendes Beispiel dafür, "wie Umwelt und Lebensstil die kognitiven Fähigkeiten einer Spezies prägen". Weil Vögel ihr Futter oder Nestmaterial meist im Flug transportieren müssen, sei dafür viel Energie notwendig. "Vielleicht war es für Vögel schon immer wichtiger, das Gewicht von etwas abzuschätzen, als für Tiere, die sich am Boden fortbewegen", so Lambert.

Die Wissenschafter wollen nun herausfinden, ob methodische Unterschiede für den krassen Gegensatz zwischen Kakadus und Primaten verantwortlich sein könnten oder ob das Gehirn von Vögeln tatsächlich besser in der Lage ist, Informationen über das Gewicht in ihrem täglichen Leben zu nutzen. (red, APA, 9.9.2021)