Intensive Darstellung von "Szenen einer Ehe": Jessica Chastain und Oscar Isaac als Eheleute im Nahkampf.

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So ändern sich die Zeiten. Als in Ingmar Bergmans Film "Szenen einer Ehe" 1973 Johan und Marianne von einer Journalistin dazu aufgefordert werden, sich selbst zu beschreiben, holt er aus: "Ungewöhnlich intelligent, jugendlich, erfolgreich, ausgewogen, sexy, ein Mann mit Weltgewissen, gut belesen. Ich bin freundlich auf eine nette Art, liebe Sport." Es geht noch weiter: Der stolze Johan sieht sich als guten Familienvater, schuldenfrei, zahlt Steuern, respektiert die Regierung, liebt das Königshaus und, klar: "Ich bin ein großartiger Liebhaber."

2021 tut sich Jonathan in der Serienfassung nach Bergmans Film in ähnlichem Setting weitaus schwerer mit der Selbstcharakterisierung: "Ich bin ein Mann und jüdisch, Vater einer vierjährigen Tochter, Akademiker, 41, Demokrat, Asthmatiker." Ende.

"Verheiratet, zwei Töchter. Im Augenblick fällt mir nicht mehr ein"

Und sie? Marianne, 1975: "Was soll ich sagen, ich bin mit Johan verheiratet, habe zwei Töchter. Im Augenblick fällt mir nicht mehr ein."

Mira, 2021: "Ich bin eine Frau, verheiratet, eine Mutter, 40." Und sie ist Chefin einer Techfirma, aber trotzdem fällt auch ihr in dem Moment nicht sehr viel mehr ein. Dass sie bemerkt, dass er in der Folge hauptsächlich von sich erzählt, lässt sie sich zunächst nicht anmerken, zumindest nach außen hin nicht.

Aber es stimmt nicht zwischen Mira und Jonathan, schon lange nicht. Das ist die verbindende Komponente dieser beiden Erzählungen, dem Filmklassiker von 1973 mit Liv Ullmann und Erland Josephson und der sich daran orientierenden, neuen HBO-Serienfassung von Hagai Levi mit Jessica Chastain und Oscar Isaac, seit Montag auf Sky.

Liebe wie ein Deal

Von Liebe ist bei beiden Paaren nicht viel die Rede, sondern vom Schein, der im bürgerlichen Dasein gewahrt sein will. "Wir fühlten uns beide sehr unglücklich. Da habe ich vorgeschlagen, dass wir es miteinander versuchen sollten. Und dann merkten wir plötzlich, dass wir fabelhaft miteinander auskamen", sagt Johan, 1973. Bei Jonathan, 2021, klingt es mehr wie Liebe im Hochglanzmagazin: metrosexuell, modern, cool. "Ist es ein Erfolg?", fragt er, als ob es sich um ein Geschäft handelt, ein Arrangement, einen Deal. Nach außen hin wirkt alles perfekt.

Das ändert sich. "Die Kunst, alles unter den Teppich zu kehren" – bei Bergman das zweite Kapitel des Films –, kommt an ihre Grenzen. Der Dreck, der sich unten angesammelt hat, drängt an die Oberfläche. Ein Abendessen mit Freunden eskaliert, Schwangerschaft und schließlich Trennung sind zunächst die Folge, alles umrahmt von endlosen Gesprächen, erschöpfenden Zornausbrüchen, flüsternden Liebesgeständnissen, stürmischen Umarmungen, absichtlichen Missverständnissen, schmerzhaft zugefügten und empfangenen Verletzungen. Warum nur?

Showrunner von "In Treatment" und "The Affair"

Showrunner Levi erlaubt dem Zuschauer intime Einblicke in dieses intensive Bindungspingpong vor allem mit Großaufnahmen. Distanz stellt er ausschließlich am Beginn jeder Folge her, die als Teil eines Filmdrehs inszeniert werden, indem die Figuren buchstäblich in den Set "hineingehen". Levi ist Spezialist für dramaturgische Extrastücke die menschliche Psyche betreffend, so gesehen etwa in "In Treatment" und "The Affair".

Die perfekte Inszenierung setzten Chastain und Isaac auch abseits der Kamera fort. Beim Filmfestival in Venedig präsentierten sich die privat befreundeten Schauspieler als ziemlich beste Turteltäubchen. Schön anzuschauen, da wie dort. (Doris Priesching, 13.9.2021)