Der Weg zu einer klaren Diagnose ist für Endometriose-Betroffene oft sehr lang.
Foto: Tabea Hablützel

Schmerzen während der Regel sind normal – heißt es jedenfalls oft. Doch was ist noch normal? Mit dieser Frage müssen sich von Endometriose Betroffene oft lange herumschlagen. Bis sie Gewissheit haben, dauert es durchschnittlich sieben bis neun Jahre, denn so lange braucht es durchschnittlich für die Diagnose einer Endometriose. Bei dieser chronischen, unheilbaren Krankheit wachsen Gebärmutterschleimhaut-ähnliche Zellen außerhalb des Uterus und führen zu entzündetem Narbengewebe. Laut Schätzungen leiden 200 Millionen Frauen an Endometriose, die während der Menstruation extrem starke Schmerzen auslösen kann. Neun betroffene Frauen haben das Filmprojekt "Nicht die Regel" umgesetzt, initiiert hat es die Videojournalistin Ranya Schauenstein.

STANDARD: Warum wollten Sie gleich eine ganze Dokumentation über Endometriose drehen?

Schauenstein: Ich bin selbst betroffen und habe die Diagnose 2015 bekommen. Wir wollten den Betroffenen dieser Krankheit eine Stimme geben. Es wurde zwar in den vergangenen Jahren mehr darüber geredet, Endometriose ist aber immer noch sehr unbekannt. Außerdem ist es eine enorm komplexe Krankheit, für die eine 75-minütige Doku fast gar nicht ausreicht.

STANDARD: Wie stark beeinflusst es den Umgang mit der Krankheit, dass sie nur Frauen trifft und mit der Menstruation zusammenhängt?

Ranya Schauenstein hat den Film "Nicht die Regel" initiiert und das Projekt gemeinsam mit acht betroffenen Frauen umgesetzt. Sie selbst weiß seit 2015, dass sie die chronische Krankheit hat.
Foto: Sophie Scala

Schauenstein: Das spielt eine große Rolle. Ein Experte sagt in der Doku, wenn Endometriose auch Männer betreffen würde, dann gäbe es zum Beispiel für Betroffene schon eine Reha in Österreich. Menstruation ist auch hier in Europa noch immer ein Tabu, und wenn man nicht gern über die Regelblutung spricht, spricht man auch nicht gern über eine Krankheit, die damit zusammenhängt. Man will meistens auch dem Arbeitgeber gegenüber nicht sagen, dass man monatlich extreme Schmerzen hat und vielleicht sogar einmal im Monat deswegen ausfällt.

STANDARD: Alle Protagonistinnen in Ihrer Dokumentation eint, dass der Weg zur Diagnose lang und schwierig war. Warum ist das so?

Schauenstein: Es ist kompliziert, Endometriose festzustellen. Eine abschließende Diagnose ist nur mit einer Bauchspiegelung möglich, die ein operativer Eingriff ist. Ärzte und Ärztinnen, die nicht viel mit der Krankheit in Berührung kommen und sie nicht mitdenken, erkennen sie oft nicht. Hinzu kommt, dass das Schmerzempfinden von jeder anders ist und auch unterschiedlich beschrieben wird – oder dass oft erst gar nicht angesprochen wird, dass man Schmerzen hat. Und das liegt auch daran, dass es von der Gesellschaft als normal angesehen wird, Regelschmerzen zu haben – und man muss selbst herausfinden, ab wann es eben nicht mehr normal ist.

STANDARD: Was konnten Sie selbst noch über die Krankheit während der Produktion des Films lernen?

Schauenstein: Das Thema Physiotherapie war mir als Endometriose-Patientin vor der Arbeit an dem Film nicht so sehr bewusst. Hier in Österreich ist es noch sehr unbekannt, dass man mit Physiotherapie Endometriose-Schmerzen lindern kann. Es ist auch gut nachvollziehbar, dass man manuell und mit Übungen für zu Hause aktiv etwas gegen die Verkrampfungen tun kann, die bei Endometriose auftreten.

NICHT DIE REGEL

STANDARD: Die porträtierten Frauen versuchen alles gegen die Schmerzen – bis hin zu Homöopathie und anderen teils sehr teuren Methoden ohne belegte Wirksamkeit. Gerade in Zeiten von Corona ist das ein heikles Thema. Wie ging es Ihnen damit?

Schauenstein: Darüber haben wir tatsächlich diskutiert. Lassen wir es unkommentiert oder nicht? Wir wollten den Personen nicht absprechen, was ihnen hilft. Aber gleichzeitig möchte man keine Fehlinformationen verbreiten, indem man sagt, dass diese oder jene Methode zu 100 Prozent hilft. Bei der Endometriose ist es wie bei vielen anderen chronischen Schmerzerkrankungen so, dass unterschiedlichste Dinge helfen können.

Aber es ist nun mal so, dass viele Endometriose-Betroffene sehr verzweifelt sind, weil nichts Schulmedizinisches mehr hilft. Wenn es etwas gibt, das hilft, auch wenn es nur der Placeboeffekt ist, kann man womöglich insgesamt besser mit der Krankheit umgehen. Ich möchte nicht darüber urteilen, was die Protagonistinnen in Anspruch genommen haben. Wenn es für sie selbst wichtig war, um mit der Krankheit umgehen zu können, ist es legitim.

In den Gesprächen mit den Experten und Expertinnen erfuhr ich aber auch, dass es enorm wichtig ist, dass diese Methoden zumindest mit der Schulmedizin Hand in Hand gehen. Teure Alternativmethoden dürfen nicht so verkauft werden, als ob sie Endometriose heilen könnten. Denn so könnte auch etwas übersehen werden, was operativ oder medikamentös behandelt werden müsste, damit es nicht schlimmer wird. (Beate Hausbichler, 9.9.2021)