Die überwiegend positiven Erfahrungen mit Tempo 30 in Graz könnten für Salzburg ein Vorbild sein.

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Der Vorstoß von Baustadträtin Martina Berthold (Bürgerliste / Die Grünen) hat die anderen Salzburger Stadtparteien sichtlich überrascht: Salzburg möge es doch Paris gleichtun und flächendeckend Tempo 30 im Stadtgebiet einführen. Nur wenige Hauptverkehrsstraßen sollten von der Beschränkung ausgenommen bleiben, und auch diese sollten an neuralgischen, unfallträchtigen Punkten mit einem 30er entschärft werden. Paris hat seit Ende August diese Regelung.

Die Bürgerliste hat im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt und argumentiert, Tempo 30 bringe "weniger Stress, weniger Staus, weniger Lärm und weniger Schadstoffe, dafür aber deutlich mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer".

Beispiel Graz

Ein Blick in die steirische Landeshauptstadt Graz bestätigt die Salzburger Stadträtin. Dort wurde das Modell bereits 1992 eingeführt. Graz war Vorreiter damit in Österreich. Die Unfallzahlen haben sich seither um ein Viertel reduziert.

Die Grazer Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) fordert, das Grazer Modell generell in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen: "Es ist sinnvoll, in der StVO Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts und Tempo 50 als Ausnahme zu verankern", sagt Kahr.

Risiko steigt mit Geschwindigkeit

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) rechnet dazu vor: "Ein Pkw, der bei Tempo 30 einen Anhalteweg von elf Metern hat, hat bei Tempo 50 einen Anhalteweg von 24 Metern. Nach elf Metern hat das Auto noch eine Geschwindigkeit von 49 Stundenkilometern. Wird ein Fußgänger mit diesem Tempo angefahren, ist das Risiko schwerster oder gar tödlicher Verletzungen sehr hoch."

Schutz für Kinder

Unterstützt wird der Vorschlag der Bürgerliste nur von der KPÖ. "Tempo 30 kann vor allem Kinderleben retten", sagt Gemeinderat Kay-Michael Dankl. Die Aufprallwucht eines Autos, das mit Tempo 50 ein Kind trifft, entspreche einem Sturz aus zehn Meter Höhe. Bei Tempo 30 seien es nur 3,6 Meter Höhe. Dankl bezieht sich auf eine Studie der Uni Duisburg-Essen, nach der die Unfallrisikominderung am stärksten bei den nichtmotorisierten Verkehrsarten festzustellen sei. Fußgänger, Radfahrer, ältere Menschen, Behinderte und insbesondere Kinder würden durch Tempo 30 besser geschützt. Die Reduktion der Unfallzahlen zeige Werte zwischen 60 und 70 Prozent.

ÖVP: 30er ohnehin flächendeckend

Die Salzburger Bürgermeisterpartei ÖVP hat mit Bertholds 30er-Idee wenig Freude. Hauptargument der Türkisen: Bereits jetzt seien 80 Prozent der Straßen in der Stadt Salzburg Tempo-30-Zonen. Das Geschwindigkeitslimit sei ohnehin bereits flächendeckend.

Fahrraddemo am Samstag

Bei einem anderen Brennpunkt der Salzburger Verkehrspolitik sieht sich die ÖVP neuerdings mit Protesten auf der Straße konfrontiert. Für kommenden Samstag (Treffpunkt 14 Uhr, Mirabellplatz) hat die Salzburger Radlobby zu einer Fahrraddemo aufgerufen. Unter dem Motto "Ja zum Rad!" soll unter anderem gegen die Pläne von Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) protestiert werden, der die Radverkehrskoordination im Magistrat Salzburg abschaffen will. (Thomas Neuhold, 9.9.2021)