Der Rechnungshof hadert schon länger mit seinen eingeschränkten Prüfkompetenzen, wenn es um die Finanzen der Parteien geht.

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Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker reißt der Geduldsfaden. Mehr als zwei Jahre sind mittlerweile seit Publikwerden des Ibiza-Videos samt Heinz-Christian Straches Gerede über dubiose Geldflüsse in Parteikassen verstrichen. Doch noch immer liegt vieles im Dunkeln, was die Finanzen der heimischen Parteien betrifft. Die türkis-grüne Koalition hat sich zwar in ihrem Koalitionsprogramm strengeren Transparenzregeln verschrieben, einen entsprechenden Gesetzesentwurf oder gar einen Beschluss gibt es aber noch immer nicht. Die oberste Finanzkontrolleurin der Republik will diesen Zustand nicht länger mitansehen.

Frage: Was möchte die RH-Präsidentin tun, um Parteientransparenz voranzutreiben?

Antwort: Am Dienstag ließ Kraker in der ZiB 2 mit einer Ankündigung aufhorchen: Der Rechnungshof werde selbst einen Gesetzesentwurf schreiben. Das soll "die Debatte wiederbeleben", wie Kraker sagte. Zumal die Regierungsparteien eine Präsentation ihres Entwurfs schon für Ende des Vorjahres angepeilt hatten, was dann nicht geschah.

Frage: Was ist an Krakers Ansage ungewöhnlich?

Antwort: Es ist üblich, dass der RH Stellungnahmen zu Gesetzen sowie Regierungsvorhaben abgibt und auf mehr Transparenz drängt. Ein Novum ist allerdings, dass die dem Nationalrat unterstehende Institution einen eigenen Gesetzestext erarbeiten will, dafür ist sie eigentlich auch nicht zuständig. "Normal sollte das nicht notwendig sein", sagt der RH-Sprecher zum STANDARD. Da allerdings über den Sommer keine politische Dynamik zum Thema Parteifinanzen sichtbar gewesen sei, habe Kraker sich jetzt aber zu ihrem Vorstoß veranlasst gesehen. Der sei als "Diskussionsgrundlage" für die Politik gedacht.

Frage: Wann soll es den Text geben?

Antwort: In etwa einem Monat, die hausinternen Expertinnen und Experten des RH werden den Gesetzesentwurf erarbeiten. Inhaltlich sollen drei Punkte im Vordergrund stehen: Der Rechnungshof müsse ein "echtes Prüfrecht" für die Geldflüsse der Parteien bekommen; es soll festgelegt werden, wann eine Organisation als parteinah gilt. Zudem sollen die Parteien dem RH nach einer Wahl einen separaten und raschen Rechenschaftsbericht zu ihren Wahlkampfkosten übermitteln müssen. All diese Punkte stehen auch im Regierungsprogramm.

Frage: Der Reihe nach: Hat der RH nicht jetzt schon Einblick in die Geldflüsse der Parteien?

Antwort: Kaum, denn in die Bücher der Parteien inklusive der Belege für Einnahmen und Ausgaben darf der RH nicht hineinschauen. Er kann nur die jährlichen – eher oberflächlichen – Berichte der Wirtschaftsprüfer einsehen, die von den Parteien jeweils selbst bestellt werden.

Frage: Warum ist die Erfassung "parteinaher" Organisationen wichtig?

Antwort: Nach momentaner Rechtslage obliegt es einer Organisation selbst, sich als "parteinah" zu identifizieren. Nur dann muss sie im Rechenschaftsbericht der Partei ausgewiesen werden. Diese lasche Regelung bietet Schlupflöcher für Vereine, die zwar mit einer Partei verbandelt sind, das aber nicht zugeben. Über solche Vereine können sich Parteien mit Umgehungskonstruktionen finanzieren. So müssen Spenden an derartige Vereine dem Rechnungshof nicht gemeldet werden.

Frage: Wie könnte eine Neuregelung aussehen, die sich nicht auf die Selbstdefinition der Organisationen verlässt?

Antwort: Das ist der wohl kniffligste Punkt einer Reform. Eine zu weite, mitunter schwammige Definition könnte dafür sorgen, dass quasi jeder Sportverein mit Parteifunktionären im Vorstand einer Partei zugeordnet wird. Bei einer zu engen Definition wären Umgehungen zwecks klandestiner Finanzierung erst wieder leicht zu bewerkstelligen, sodass die Bestimmung zahnlos bliebe.

Frage: Und was ist der Sinn hinter separaten Rechenschaftsberichte über die Wahlkampfkosten?

Antwort: Derzeit werden Wahlkampfausgaben in den regulären jährlichen Rechenschaftsberichten abgebildet. Diese werden von den Parteien oft (zu) spät abgeliefert. So ist der ÖVP-Rechenschaftsbericht für das Wahljahr 2019 erst Ende 2020 beim RH eingetrudelt. Bis die Zahlen dann vom RH – nach Abklärung offener Fragen mit den Parteien – veröffentlicht werden können, vergeht mitunter wiederum ein Jahr. Mit einer kurzen Frist für separate Wahlkampfberichte wüsste die Öffentlichkeit rascher Bescheid, ob sich die Parteien demokratisch fair verhalten haben und die gesetzliche Obergrenze einhielten.

Frage: Da was ja was ...

Antwort: Genau. Für die Nationalratswahl 2017 hat die ÖVP 13 Millionen Euro verpulvert, obwohl nur sieben Millionen erlaubt waren. Auch die FPÖ lag deutlich darüber, die SPÖ knapp. Ob sich die betreffenden Parteien 2019 an die Obergrenze gehalten haben, weiß man noch nicht, alle beteuern es. Jedenfalls wurden 2019 vom Parlament deutlich höhere Strafen für Überschreitungen der Grenze beschlossen, im türkis-grünen Programm ist eine weitere Verschärfung paktiert.

Frage: Was hält die Regierung nun von Krakers Drängen?

Antwort: Die ÖVP erklärt knapp, man freue sich über den Input des RH. Man werde die Punkte abarbeiten, wie im Regierungsprogramm vorgesehen. Auf die Frage nach dem Zeitplan antwortet die ÖVP nicht. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer sagte zum STANDARD: "Wir begrüßen den Vorschlag ausdrücklich, denn der Rechnungshof hat ja viel Expertise im Bereich der Parteifinanzen." Maurer will die RH-Präsidentin ins Parlament einladen, um ihren Entwurf dort zu diskutieren. Zudem sei auch das Paket der Koalition fast fertig, man werde dieses in den kommenden Wochen der Opposition vorstellen, um breite Zustimmung zu erreichen.

Die Neos sehen volle inhaltliche Übereinstimmung mit Kraker und hoffen auf politische Beschleunigung für ein baldiges Gesetz. SPÖ und FPÖ waren in den vergangenen Jahren skeptisch bezüglich eines Einschaurechts des Rechnungshofs in die Parteifinanzen. (Theo Anders, 8.9.2021)