An Jobs in der Gastronomie fehlt es nicht, an Stellen für ältere Arbeitnehmer sehr wohl.

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Wien – Ist es angesichts des Höchststands an offenen Stellen zu leicht, lange ohne Job zu sein? Was bremst den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt? Wie lässt sich verhindern, dass Arbeitslosigkeit zur Armutsfalle wird? Österreichs Regierung will die Arbeitslosenunterstützung reformieren. Eine der größten Herausforderungen dabei ist es, wachsende Langzeitarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen.

Diese habe sich im Zuge der Corona-Krise verfestigt, da vielen Menschen, die ihre Beschäftigung schon zuvor verloren, neue Jobs verwehrt blieben, sagte Wifo-Experte Helmut Mahringer im Rahmen einer Diskussion in der Arbeiterkammer.

Den jüngst stark diskutierten Zuverdienst zum Arbeitslosengeld bezeichnet er als Brücke wie als Sackgasse. 475 Euro dürfen dazuverdient werden, ohne auf die staatliche Hilfe verzichten zu müssen. Mahringer sieht Vorteile der Gelegenheitsjobs für Langzeitarbeitslose überwiegen. Für jüngere Arbeitslose seien diese in Summe aber mehr Hemmnis als Sprungbrett bei der Stellensuche.

"Falsches Bild"

Gudrun Höfner, Prokuristin von It-works, einer gemeinnützigen Arbeitslosenvermittlung, erlebt einen Zuverdienst bei der Jobvermittlung als hinderlich, denn er zeichne ein falsches Bild des erzielbaren Nettoeinkommens. Zudem ließen sich geringfügige Jobs schwer planen, sagt sie. Für die meisten Arbeitssuchenden sei Arbeitstraining sinnvoller.

Vor- wie Nachteile skizziert Mahringer auch bei der angedachten stufenweisen Reduzierung des Arbeitslosengeldes. Dem Anreiz, sich zügiger Arbeit zu suchen, stünden ohnehin strenge Sanktionen gegenüber, die Arbeitslose dazu zwingen, tätig zu werden. Zum einen verleite mehr Geld zu Beginn der Arbeitslosigkeit dazu, Beschäftigung kurzzeitig zu unterbrechen. Zum anderen finde das Gros der Arbeitslosen neue Stellen, noch ehe die Degression schlagend werde, betont der Wirtschaftsforscher. Bei langfristiger Arbeitslosigkeit wiederum müsse der Fokus darauf gelegt werden, überhaupt an Jobs zu kommen, die Rücksicht auf höheres Alter und gesundheitliche Beeinträchtigungen nehmen.

Die Politik müsse sich fragen, ob es wirklich gewollt sei, diese Menschen schlechterzustellen. Nicht zuletzt sei es Aufgabe des Arbeitslosengeldes, vor Armut zu schützen.

"Keine Schutzfunktion"

Für Silvia Hofbauer, Expertin der Arbeiterkammer, erfüllt dieses seine Schutzfunktion nicht: 82 Prozent der Arbeitslosen könnten damit den Lebensunterhalt kaum oder nicht bestreiten. Bei Langzeitarbeitslosen steige dieser Anteil auf 94 Prozent. Hofbauer erinnert an Arbeitgeber, die auf schwankende Aufträge reagieren, indem sie Mitarbeiter für einige Wochen in die Arbeitslosigkeit schicken. "Das ist gelebte Praxis und bleibt sanktionslos."

Hofbauer appelliert daran, das Arbeitslosengeld von derzeit 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 70 Prozent zu erhöhen. Der Familienzuschlag von 97 Cent pro Tag sei seit Jahren nicht an die Inflation angepasst worden und gehöre dringend erhöht. Darüber hinaus dürften Arbeitnehmer nicht finanziell bestraft werden, wenn sie zur Überbrückung schlechter bezahlte Jobs annehmen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld dürfe deswegen nicht sinken. (vk, 9.9.2021)