Die Lage zwischen Israel und Palästinensern verschärft sich erneut.

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Jerusalem – Nach der Flucht sechs militanter palästinensischer Häftlinge aus einem Hochsicherheitsgefängnis hat Israel die Abriegelung der Palästinensergebiete verlängert. Für die Suche nach den geflohenen Häftlingen wurden zusätzliche Truppen ins Westjordanland verlegt. Am Abend kam es zu Protesten in mehreren Orten im Westjordanland.

Abriegelung bis Freitag Mitternacht geplant

Die Abriegelung soll nun bis Freitag um Mitternacht gelten, teilte die israelische Armee am Mittwochabend mit Ende des jüdischen Neujahrsfests mit, als die Abriegelung eigentlich enden sollte. Grund dafür seien die Bemühungen, die in der Nacht auf Montag durch einen Tunnel aus dem Gilboa-Gefängnis geflüchteten Häftlinge zu finden, hieß es in der Mitteilung.

An der intensiven Suche sind laut Medienberichten seit Tagen Polizeikräfte, der Inlandsgeheimdienst Shin Bet sowie Spezialeinheiten der Armee beteiligt. Die "Jerusalem Post" berichtete, dass insgesamt 200 Straßensperren aufgestellt wurden. Die vor Ort stationierten Soldaten würden "durch Kampfbataillone, Überwachungstruppen und einige Militärflugzeuge verstärkt", erklärte Armeechef Aviv Kohavi am Mittwoch. In der Nacht hatten israelische Sicherheitskräfte mindestens sechs Angehörige der geflohenen Häftlinge festgenommen.

Spektakuläre Flucht

Den sechs Palästinensern war am Montag die spektakuläre Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Gilboa gelungen. Die Häftlinge waren durch einen selbst gegrabenen Tunnel entkommen. Die Häftlinge waren den Angaben zufolge wegen tödlichen Anschlägen auf Israelis verurteilt worden. Unter ihnen ist nach Medienberichten auch der frühere militante Palästinenserführer Zakaria Zubeidi aus Jenin, der zu Zeiten des zweiten Palästinenseraufstands Intifada von Israel gejagt, 2007 dann aber vorübergehend amnestiert wurde.

Unter den nun Festgenommenen befinden sich laut der Vereinigung der palästinensischen Gefangenen zwei Brüder von Mahmud Ardah, der den Ausbruch örtlichen Medien zufolge geplant hatte. Außerdem nahm die israelische Armee vier weitere Menschen in Gewahrsam, darunter zwei Brüder eines weiteren Geflohenen und den Vater eines dritten. Die drei entkommenen Häftlinge, deren Angehörige festgenommen wurden, sollen Mitglieder der Gruppe Islamischer Jihad sein.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verurteilte das israelische Vorgehen. "Jemanden festzuhalten, um einen Angehörigen zu zwingen, etwas zu tun, ist eine Mafia-Taktik", schrieb der für Israel und Palästina zuständige Direktor Omar Shakir auf Twitter.

Brände in Gefängnissen gelegt

Am Mittwoch kam es laut der Vereinigung der palästinensischen Gefangenen in mehreren israelischen Gefängnissen zu "Spannungen". Eine Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass in den Haftanstalten Ktziot und Ramon Brände gelegt worden seien. "Die Situation ist jetzt unter Kontrolle, die Feuer wurden gelöscht", erklärte die Sprecherin.

In Ramallah, Nablus und Ostjerusalem kam es nach Aufrufen palästinensischer Gruppen zu Protesten gegen Israel. Bei Nablus zündeten Demonstranten bei Auseinandersetzungen mit israelischen Sicherheitskräften Reifen an. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds wurden in der Nähe von Nablus 60 Demonstranten durch Tränengas verletzt. Bereits am Montag hatten Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland den Ausbruch gefeiert.

Warenübergänge in das Westjordanland und den Gazastreifen sollten wie geplant am Mittwochabend geöffnet werden, teilte die Armee mit. Die Personenübergänge könnten aber bis Freitagabend nur in humanitären Notfällen passiert werden. Für palästinensische Arbeiter im Westjordanland seien die Übergänge ebenfalls passierbar. (APA, 9.9.2021)