In der Wohnanlage Oleandergasse haben mittlerweile viele Bewohner ein eigenes Auto.

Foto: Daniel Hawelka

Wenn die Straßen nach Ginster, Herzblumen und Pelargonien benannt sind, dann weiß man, dass die Stadtgrenze nicht mehr fern ist. Im Falle der Wohnsiedlung Oleandergasse, errichtet von der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA), sind es keine 2.000 Schritte quer durch den Acker, bis man Wien verlassen hat und mit beiden Beinen in Niederösterreich steht.

Und doch hat sich der gemeinnützige Bauträger für dieses Projekt ein besonderes Mobilitätskonzept einfallen lassen – ohne Tiefgarage, dafür aber mit einem flexibel befahrbaren und beparkbaren Anger sowie einem elektrischen Fuhrpark auf Sharing-Basis. So viel zur Theorie. Die Praxis sieht ein wenig anders aus.

Am Anfang stand die Idee im Raum, hier oben im Wiener Norden die Bebauungs- und Besiedelungskultur der letzten Jahrhunderte zu respektieren und ein Wohnprojekt zu errichten, dass sich ganz in die Tradition dieses Ortes fügt.

Breitenlee zeichnet sich durch Ackerbau, landwirtschaftlich geprägte Dörfer und historische Angerstrukturen mit Hakenhöfen aus. Und so entstand die Idee, auf eine kostspielige Tiefgarage zu verzichten und stattdessen in einen hochwertigen Holzbau und eine bis dahin einzigartige Freiraumgestaltung zu investieren, in der Mensch und Auto je nach Bedarf einmal mehr, einmal weniger Platz einnehmen.

Wer unbedingt ein eigenes Fahrzeug benötigt, so der Plan von Querkraft Architekten und Architekt Thomas Moosmann, der soll am Rande des Angers parken und die Mitte zum Spielen und Spazierengehen frei lassen. Je weniger Menschen parken, desto größer der unverparkte Dorfplatz im Zentrum der Anlage.

Um den Umstieg auf Sharing Economy zu versüßen, wurde ein Mobility-Point mit E-Bikes, E-Scootern und Elektroautos samt Steckdose errichtet. 2018 wurden die Wohnungen übergeben.

Allein, nach zwei Jahren mäßig geglückten Betriebs musste das Mobility-Konzept mangels Nachfrage aufgegeben werden. "Im Grunde genommen bietet eine Wohnhausanlage mit 133 Wohnungen ausreichend kritische Masse für so ein innovatives Mobilitätskonzept", sagt Cilli Wiltschko, Leiterin der Projektentwicklung in der WBV-GPA. "Allerdings haben wir uns als Bauträger in einem Punkt verkalkuliert. Denn für Sharing Mobility liegt die Oleandergasse erstens zu weit am Stadtrand und ist zweitens nicht gut genug an den öffentlichen Verkehr angebunden.

Die meisten Leute, die hier eingezogen sind, haben ein eigenes Auto. In der Seestadt Aspern oder in der Nähe einer U-Bahn-Station hätte das Konzept wahrscheinlich wunderbar funktioniert." Nun stehen so viele Autos auf dem Anger, dass die freie Mitte auf ein Minimum geschrumpft ist, berichtet Wiltschko. "Das ist schade, aber auch Teil des Freiraum- und Mobilitätskonzepts."

Das Stadtrandproblem

Was ist das Learning für die Zukunft? "Ich mag dieses Projekt, weil hier tolle Ideen und auch wichtige Erkenntnisse drinstecken", sagt Wiltschko und appelliert daran, in Zukunft nicht alle Bauträgerwettbewerbe über einen Kamm zu scheren. "Ein innovatives Mobilitätskonzept hat durchaus Sinn in der Stadt, entlang der U-Bahn oder in Stadterweiterungsgebieten mit einer bestimmten, von den Bewohnerinnen und Bewohnern mitgetragenen Identität. Am Stadtrand aber ist so ein Konzept – zumindest aus heutiger Sicht – nicht zielführend."

Die Hoffnung ist noch lange nicht verloren. "Wir können davon ausgehen", sagt Architekt Jakob Dunkl von Querkraft, "dass sich die individuelle Mobilität in den nächsten zehn bis 20 Jahren dramatisch verändern wird – weg vom Auto als Eigentumsobjekt hin zur Bewegung als Dienstleistung. Die Wohnhausanlage in der Oleandergasse wird darauf rasch reagieren und sich im Nu in einen Dorfplatz zum Spielen und Spazierengehen verwandeln." (Wojciech Czaja, 15.9.2021)