Das Österreichische Ensemble für neue Musik beschäftigt sich in Schwaz mit arabischen Kompositionsprinzipien.

Foto: Markus Sepperer

Die große städtische Tennishalle, das Museum der Völker, der Festsaal der Wirtschaftskammer – die Liste ungewöhnlicher Veranstaltungsorte wird bei den Klangspuren Schwaz stetig erweitert. Das ist weder nebensächlich noch eine Notlösung, sondern steht symbolträchtig dafür, wie selbstverständlich sich das Tiroler Festival für neue Musik in die örtlichen Gegebenheiten fügt.

Ebenso traditionell strömt ein großteils regionales Publikum in die Veranstaltungen und diskutiert häufig leidenschaftlich über das soeben Erlebte – eine Seltenheit für eine zeitgenössische Konzertreihe abseits der Metropolen.

Letztes Mal für Reinhard Kager

Zum dritten und letzten Mal steht das heurige Programm unter der künstlerischen Leitung von Reinhard Kager, der das Konzept einer hochkarätigen Verbindung lokaler mit internationalen Perspektiven gepflegt hat und es als studierter Philosoph wieder ideenreich untermauert.

Vieldeutig lautet das heurige Motto "Transitions". Das Wort meint Übergänge, Veränderungen, Wandel, Umstellungen und soll daran erinnern, wie dringend eine Welt der Pandemie und des Klimawandels Änderungen bedarf.

Und die traditionelle ganztägige Klangwanderung folgt zwar den Spuren von aus ihrer Heimat vertriebenen Zillertaler Protestanten im Jahr 1837, darf aber als brennend aktuelle Mahnung verstanden werden (19. 9.). Voller Wandlungen ist auch das gegenwärtige kompositorische und improvisatorische musikalische Geschehen. Fast die gesamte stilistische Breite wird bereits im Eröffnungskonzert mit zwei Auftragswerken des Festivals ausgemessen, wenn einerseits Jorge Sánchez-Chiong Keyboard, Percussion und afrikanische Batá-Trommeln auf das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck treffen lässt und andererseits Michael Wertmüller eine E-Gitarre als Protagonistin eines Solokonzerts antreten lässt (Freitag, 10. 9.).

Wer sind wir?

Beim Zusammentreffen von Gerhard E. Winkler und Hossam Mahmoud geht es ebenfalls um Grenzgänge zwischen den Kulturen, die von einem arabischen Trio rund um den syrischen Ney-Spieler Mohamad Fityan und dem Ensemble Phace bewerkstelligt werden (11. 9.). Auch beim dreitägigen Festival im Festival "Improv #1–#3" (16.–18. 9.) werden Grenzen überwunden, wenn auch Komponiertes in die Improvisation eindringen darf.

Und schließlich lässt in einem besonders spektakulären Projekt Wolfgang Mitterer unterschiedliche Tiroler Formationen vom zeitgenössischen Ensemble bis zum Jugendchor aufeinandertreffen (25. 9.), als ob es um ein Weiterspinnen einer populärphilosophischen Fragestellung ginge: Wer sind wir – und wenn ja: wie viele? (Daniel Ender, 10.9.2021)