Peyton Elizabeth Lee ist das junge Arztgenie in der Disney+-Serie "Dr. Doogie Kameāloha".

Foto: Disney+

Es gibt viele erste Male, wenn man 16 ist: den ersten Ball, das erste Date, den ersten Kuss. Sofern einem da nicht das Arbeitshandy in die Quere kommt, das klingelt, während die Lippen schon gespitzt sind, um dem Teenie-Schwarm einen Schmatzer aufzudrücken. Aber nichts da: Dr. Kameāloha, bitte in den OP kommen! Hä? Ja, obwohl Lahela Kameāloha erst 16 Jahre ist, arbeitet sie bereits als Assistenzärztin in einem hawaiianischen Krankenhaus.

Wem der Plot bekannt vorkommt: Richtig, das ist eine Neuauflage der 90er-Jahre-Serie um das Wunderkind Doogie Howser, M.D. Nur mit Genderflip. Soll heißen: Diesmal ist es kein blonder, männlicher Lockenkopf, der lässige Sprüche auf Lager hat, während er seine Patienten behandelt, sondern Teenie Lahela Kameāloha. Auch sie trägt den Spitznamen "Doogie", da ihre Arbeitskollegen selbst eine Referenz zur Originalserie aus den Neunzigern ziehen.

Nervenaufreibender Krankenhausalltag

Dass ein Teenie bereits mitten im Arbeitsleben steht, führt zu teils skurrilen Szenen. So nimmt Doogies Mutter und leitende Ärztin, Dr. Clara Hannon, sie nach der Visite schon mal zur Seite, weil ihr nicht gefällt, wie sie die Hüften in ihrem Tiktok-Video schwingt. Das ist aber nicht alles, was die Mutter umtreibt. Auch ob ihre Tochter den nervenaufreibenden Krankenhausalltag gut wegsteckt, sorgt sie. Zum Glück ist Lahelas Vater zum Trösten da. Der verkauft hauptberuflich buntes Eis aus einem blumenbesetzten Truck vor dem Krankenhaus, während seine Tochter und Frau Leben retten. Damit wird schnell klar, wer in der Familie Kameāloha die Hosen anhat.

Drehbuchautorin Kourtney Kang ist laut ihrer Twitter-Bio ein "strong female character who's good at her job", und diesen Stempel auch ihren weiblichen Hauptrollen aufzudrücken war ihr offenbar wichtig. So wichtig, dass Kang, die auch eine der Autorinnen von "How I Met Your Mother ist", übersieht, wie klischeehaft die übrigen Rollen daherkommen.

Lahelas besagter Vater hat "früher" im Finanzbereich gearbeitet, wollte dann aber "mehr" vom Leben, verkauft jetzt Eis und verbringt seine restliche Zeit mit dem Surfen. Den Kalmar fürs Abendessen fängt er selbst, das Geschirr räumt er mit Lahelas beiden Brüdern vom Tisch, damit Mutter und Tochter ungestört weiterquatschen können. Lahelas Schwarm Walter beäugt er streng und argwöhnisch, gibt sich dann aber streichelweich, nur weil er ihm Frühstücksfleisch in der Dose mitgebracht hat.

Über Pumpkin-Spice-Lattes reden

Dann wäre da noch Lahelas Kollege, ein Assistenzarzt, der über Pumpkin-Spice-Lattes spricht, E-Mails nur in Beisein seines Therapeuten öffnen kann und Oprah Winfrey zitiert. Der kanadische Schauspieler Jeffrey-Bowyer Chapman ist sich trotz seines wichtigen und offenen Umgangs mit der eigenen Queerness im privaten Leben nicht zu schade für diese Rolle, die ein sehr klischeehaftes Bild eines homosexuellen Mannes zeichnet.

Die peinliche beste Freundin gibt es in der Serie natürlich auch. Lahelas Teenie-Bestie steht auf deren desinteressierten Bruder und lässt keinen Versuch aus, ihn von sich zu überzeugen, twerken inklusive. Am Ende der ersten Folge gibt es dann übrigens doch einen Kuss mit Schwarm Walter. Ihre Mutter ist beruhigt, denn ganz offensichtlich ist ihre Tochter nicht nur Ärztin, sondern auch ein "normaler" Teenager.

So sehr sich Drehbuchautorin Kang bemüht, mit klassischen Gender- und Familienkonzepten zu brechen, so wenig gelingt es ihr, dass ihr Remake nicht in die Klischeerollen-Falle tappt.

Ihre Serie, deren erste Staffel mit vier Folgen am 8. September die deutsche Online-Premiere auf Disney+ feierte, verdient lediglich das Prädikat: gut gemeint, aber weniger gut gelungen. (Allegra Mercedes Pirker, 9.9.2021)