Evakuierte aus Afghanistan kommen am Flughafen Hamad International in Katar an.

KARIM JAAFAR / AFP

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Zwei Journalisten sollen von den Taliban geprügelt worden sein.

Foto: Etilaatroz/via REUTERS

Kabul – Um den Anschein von Normalität zu erwecken, machten die Taliban in Afghanistan den nächsten Schritt und öffneten den Flughafen Kabuls für internationale Flüge. Am Donnerstagmorgen landeten und starteten erste Passagiermaschinen aus den Golfstaaten in der Hauptstadt – neben mehreren Fliegern mit Hilfslieferungen.

Offenbar haben die radikalislamistischen Machthaber zudem erlaubt, dass 200 US-Angehörige sowie Bürgerinnen und Bürger von Drittstaaten das Land verlassen dürfen. Das sagte eine anonyme Quelle der Nachrichtenagentur Reuters. Doch diese Zahl ist vergleichsweise gering, wenn man sie mit den zehntausenden Afghaninnen und Afghanen vergleicht, die sich für das US-Notvisa-Programm qualifizieren würden. Unklar ist auch, wann die Flieger mit Ausreisewilligen in Mazar-i-Sharif starten dürfen.

Um den Geflüchteten zur Seite zu stehen, hat die Nato zum ersten Mal seit 16 Jahren ihre Krisenaktionstruppe NRF aktiviert. Die Deutsche Presseagentur berichtet, dass rund 300 Soldatinnen und Soldaten dafür eingesetzt werden, den Flüchtlingen bei der Unterbringung und Versorgung zu helfen. Vor allem Menschen, die mit den Nato-Kräften gearbeitet und noch keine längerfristige Bleibe haben, sollen so Hilfe erhalten. Notunterkünfte im Kosovo und in Polen sollen für diese Afghaninnen und Afghanen bereitstehen.

Taliban beschwichtigen

In einem Interview mit Al Jazeera bekräftigte der eben erst ernannte Premierminister Mullah Mohammed Hassan Akhund, dass Mitglieder der gestürzten Führung nichts zu befürchten hätten. All jene, die das Land verlassen hätten, sollten zurückkommen, so der Vertraute des verstorbenen Taliban-Gründers Mullah Omar: Sie würden alle Amnestie erhalten. "Keiner wird beweisen können, dass er Rache gespürt hat. Und in solch angespannten Umständen ist es einfach, zu tun, was man möchte", sagte Akhund im TV-Interview: "Aber diese Bewegung ist diszipliniert und hat ihre Bewaffneten unter Kontrolle. Wir haben niemanden wegen seiner früheren Taten verletzt."

Eine andere Sprache sprechen hingegen die Fotos, die die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag veröffentlicht hat: Sie zeigen zwei Journalisten, die Proteste am Mittwoch begleitet haben und laut eigenen Angaben von Taliban-Kämpfern verhaftet wurden. An ihren Körpern sind Striemen und blaue Flecken zu sehen.

Entschuldigung Ghanis

"Einer der Taliban hat seinen Fuß auf meinen Kopf gestellt und mein Gesicht gegen den Beton geschlagen. Sie haben mir gegen den Schädel getreten ... Ich dachte, dass sie mich töten werden", erzählte der Fotograf Nematullah Naqdi einem AFP-Reporter.

Die Taliban haben nach mehrtägigen Protesten – vor allem von Frauen – weitere Demonstrationen untersagt. Kundgebungen würden einer Genehmigung des Justizministeriums bedürfen, heißt es von der Führung.

Via Twitter wandte sich zudem am Mittwoch Ex-Premier Ashraf Ghani an die Öffentlichkeit. In einer Stellungnahme entschuldigte er sich bei der afghanischen Bevölkerung für seine Flucht und fügte hinzu, dass es die "schwerste Entscheidung seines Lebens" gewesen sei, Kabul zu verlassen. Ghani wies außerdem Vorwürfe von sich, er sei mit rund 170 Millionen US-Dollar in der Tasche in die Vereinigten Arabischen Emirate geflohen.

Vielmehr habe er das Land verlassen, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen. Die vergangenen 20 Jahre hätte er geopfert, um Afghanistan zu einem "demokratischen, wohlhabenden und souveränen Land" zu machen. Doch sein Kapitel habe wie das seiner Vorgänger in einer "ähnlichen Tragödie" geendet. (Bianca Blei, 9.9.2021)