Andrea Breth holte ihn einst vom Royal Court in London an die Schaubühne in Berlin. Heute arbeitet Nicholas Monu frei.

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Freunde, die zu Feinden werden: Othello (Nicholas Monu) und Jago (Tim Breyvogel).

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Die Bestrebungen der Theater, ihre Ensembles diverser aufzustellen, tönen parallel zu Diversity-Debatten durch alle Medien. Allein, es zieht sich. Lange bevor Martin Kušej am Burgtheater einen Schritt Richtung mehr Internationalität tat, tüftelte allerdings einer seiner Vorgänger, Klaus Bachler, am selben Plan. Nur gab es Anfang der Nullerjahre noch kein breites Bewusstsein für Critical Whiteness. Und so war der in Nigeria geborene und in England aufgewachsene Schauspieler Nicholas Monu ganz ohne gesteigerte Aufmerksamkeit fünf Jahre Ensemblemitglied des Hauses.

Seine Karriere im deutschsprachigen Raum spiegelt die Kluft zwischen gesellschaftlicher Realität und Theaterpraxis wider. Letztere hinkt Ersterer nach.

"Kein Schwein kennt mich"

Monu spielte damals in fast allen Inszenierungen Andrea Breths, die ihn in den 1990ern vom Royal Court in London an die Berliner Schaubühne geholt hatte – auch dort war der Darsteller jahrelang im Ensemble. Das letzte Studienjahr verbrachte er übrigens am nicht weniger legendären Moskauer Künstlertheater bei Oleg Tabakow. Was es an europäischen Eins-a-Häusern anzupeilen galt, Nicholas Monu war dabei. Er ist stolz, Anteil an dieser Theatergeschichte zu haben. Nachsatz: "Obwohl mich heute kein Schwein kennt!"

An der Schaubühne gehörte er damals neben den Granden wie Jutta Lampe oder Thomas Thieme zur jungen Riege mit Cornelius Obonya, Hans-Werner Meyer, Caroline Peters. "Sie sind alle Stars geworden, und dann bin da noch ich."

Tatsächlich hat das Theater Nicholas Monu mehr und mehr ausgesperrt und an die Film- und Fernsehwelt verwiesen. Dort sind die Rollen für schwarze Schauspieler zahlreicher und vielfältiger. So spielt er etwa in der Serie Cop Stories, in Filmen von Andreas Prochaska oder Christian Schwochow.

Enterbter Prinz

Seine Leidenschaft ist das Theater. Ihm hat er vieles geopfert, den Familienfrieden – und sein Erbe. Dieses fällt ins Gewicht. Denn Nicholas Monu ist Sohn des Prinzen von Asaba, einer Großstadt im ölreichen nigerianischen Bundesstaat Delta. Der Titel Prinz meint die Zugehörigkeit zur politischen Elite, konkret war der Vater Jurist und der wichtigste Steuerverwalter des Ölstaates. Diese Karriere hätte er sich auch vom Sohn erwartet, der aber als Fünfjähriger schon wusste, dass er Schauspieler werden will. Dieser war damals bereits auf einem Internat in England, wohin die Familie zur Zeit des Biafra-Krieges floh.

Monu studierte also Schauspiel in London und Washington, D.C., und belog seinen Vater jahrelang, indem er vorgab, Jura zu studieren. "Dass er mich enterbt hat, habe ich verstanden", sagt Monu über sein "preußisches" Familienoberhaupt. Die Ausbildung habe viel Geld verschlungen. Wie schwierig es für einen schwarzen Schauspieler in Europa werden würde, hatte er einst nicht erwartet. Monu nennt seine bisherige Laufbahn eine "Odyssee".

Dass er nun ab 11. September am Landestheater Niederösterreich den Othello gibt, den "Mohren aus Venedig", ist natürlich auch alles andere als ein Zufall. Als PoC-Titelheld hat der Feldherr Othello in der europäischen Theaterliteratur nun einmal keine Konkurrenz. Monu spielt ihn – wenig verwunderlich – bereits zum dritten Mal: "Niemand ist das, was er spielt, selbst. Es wäre also fantastisch, wenn alle alles spielen dürften. Doch davon sind wir weit entfernt. Also spiele ich den Othello."

Bühnendeutsch lockern

Monus international verankertes Leben repräsentiert eine zeitgenössische Biografie, auf die das vom Kanon geprägte Stadttheater noch kaum Antworten gefunden hat. Das Theater tut sich bisher schwer damit, von seiner Zeichenhaftigkeit zu abstrahieren oder sich auf vielfältige Sprechweisen einzulassen.

"Wenn man die Theaterwelt für neue deutschsprachige Menschen wie mich öffnen will, mit unseren komischen Akzenten, dann muss das Bühnendeutsch halt gelockert werden", sagt Monu. "Es ist ja eh eine Erfindung von Herrn Goebbels!" Er bedauert, dass Sprachfärbungen auf Bühnen weitgehend getilgt werden. Das fange schon an den Schauspielschulen an. "Ich will ja nicht rassistisch sein, aber alles ist so ,deutsch‘. Ich lebe mit meiner Familie im Pongau, und mein Sohn spricht wie ein Hamburger!"

Apropos Rassismus. Nicholas Monu hat eine Botschaft: "Ein bunteres Volk als die Wienerinnen und Wiener gibt es nicht auf der Welt. Multikulti wurde in Wien geboren! Der Kaiser war stolz auf seine Völker. Ich kam hierher und sagte, schaut euch doch eure Namen an, wie könnt ihr rassistisch sein?!"


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(PORTRÄT: Margarete Affenzeller, 10.9.2021)