Die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó, die in den USA forscht und für das deutsche Unternehmen Biontech arbeitet, trug erheblich zur Entwicklung der sicheren mRNA-Impfstoffe bei. In Budapest wurde ihr ein Wandbild gewidmet.
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Wie kann ein Bauplan für Proteine in den Körper eingebracht werden, um diesen etwa durch eine Impfung besser gegen Krankheitserreger zu schützen? Zur Antwort auf diese Frage haben die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó und ihr Kollege Drew Weissman, die an der US-amerikanischen University of Pennsylvania forschen, sehr wichtige Vorarbeit geliefert. Mit ihren Erkenntnissen dazu, wie genetisches Material in Form von Boten-RNA oder mRNA brauchbar in Zellen ankommt, haben sie Mitte der 2000er-Jahre den Grundstein für die ersten RNA-Impfstoffe gelegt, die nun bei der Eindämmung der Covid-19-Pandemie essenziell sind und Menschenleben retten. Entsprechend gilt das Gespann Karikó und Weissman auch als Anwärter auf den Nobelpreis. Zunächst erhalten die beiden aber den Breakthrough-Preis, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Die Auszeichnung für Forschungsdurchbrüche, die mit drei Millionen US-Dollar pro Preis dotiert ist, zählt zu den gewinnbringendsten im Bereich der Naturwissenschaften und der Mathematik. Dass sie ihr einmal verliehen werden würde, hätte Karikó, die seit 2013 auch als Senior Vice President bei Biontech arbeitet, zu Beginn ihrer Forschung wohl nicht vermutet: Selbst jene Arbeit, die nun ausgezeichnet wurde, wurde bei ihren Ansuchen nach Forschungsförderung abgelehnt.

Forscherin trotzte Rückschlägen

Doch die Wissenschafterin nahm Gehaltskürzungen in Kauf und forschte weiter – obwohl mRNA-Impfstoffe aufgrund des schnellen Abbaus im Körper im Zuge von Immunreaktionen lange Zeit als nicht machbar galten. Karikó und Weissman gelang es, diese Reaktion zu umgehen, indem sie ein Molekül – Uridin – durch das ähnliche Pseudouridin ersetzten. So ebneten sie den Weg für die neue Klasse der mRNA-Impfstoffe, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen dürfte.

"Dies ist eine fantastische und unglaublich zeitgemäße Auszeichnung für die Arbeit, mit der alles begann", kommentierte der Chemie-Nobelpreisträger Jack Szostak, Forscher an der US-amerikanischen Universität Harvard und wissenschaftlicher Berater der Firma Moderna. Die Arbeit unterstreicht die Bedeutung von Grundlagenforschung – laut Szostak ist sie "besonders inspirierend, weil anfangs niemand glaubte, dass sie nützlich sein würde". Für die Weiterentwicklung waren viele Einzelschritte im Laufe der Jahre und Jahrzehnte nötig, betont Karikó selbst, die sich freut, zum mRNA-Impfstoff beigetragen zu haben: "Mein Respekt gilt den hunderten Menschen, die daran beteiligt waren."

Gensequenzierung und Krankheitsbehandlung

Der Breakthrough Prize 2022 wurde fünfmal verliehen; neben dem mRNA-Team wurde auch eine weitere Biochemie-Forschungsgruppe prämiert. Shankar Balasubramanian, David Klenerman und Pascal Mayer entwickelten eine Technik des "Next Generation Sequencing", die es heutzutage auch ermöglicht, Varianten des Coronavirus Sars-CoV-2 schnell aufzuspüren. Mit ihrer Methode können quasi Milliarden von genetischen Fragmenten parallel abgebildet und gelesen werden, anstatt ein Fragment nach dem anderen zu prüfen.

Zudem ging ein Breakthrough-Preis an den Chemiker und Entrepreneur Jeffrey Kelly, der neue Erkenntnisse im Bereich der Proteinfaltung lieferte. Er beschäftigt sich mit dem krankhaften Prozess der Amyloidose, der zu verschiedenen Organdefekten und chronischen Krankheiten führt. Kelly untersuchte die Rolle, die falsch gefaltete Proteine dabei spielen, und entwickelte auf dieser Basis eine effektive Behandlungsmöglichkeit.

Differentialgleichungen und Gitteruhren

Abseits der Biochemie wurde auch der japanische Mathematiker Takurō Mochizuki von der Universität Kyōto geehrt. Er beschäftigt sich mit algebraischer Analysis, genauer steht er in der Tradition mehrerer japanischer Mathematiker, die sich mit sogenannten D-Moduln befassen. Er erweiterte das Verständnis zu sogenannten "holonomen D-Moduln", die mit bestimmten Differentialgleichungen zusammenhängen, um mit Punkten umzugehen, an denen die untersuchten Gleichungen nicht gut definiert sind.

Schließlich taten sich auch zwei Physiker hervor: Hidetoshi Katori (Universität Tokio) und Jun Ye (National Institute of Standards and Technology, Colorado) wurden für die Erfindung der optischen Gitteruhr (optical lattice clock) ausgezeichnet. Diese Atomuhr ist besonders genau, ihre Funktionsweise geht auf den optischen Übergang eines neutralen Atoms zurück. Sie ist etwa 10.000-mal präziser als andere Zeitmesser. Dank ihrer Genauigkeit und Stabilität "können optische Gitteruhren zur Untersuchung von Effekten eingesetzt werden, die bisher nicht bekannt waren", sagt die britische Physikerin Helen Margolis.

Dazu gehört nicht nur der bisher präziseste Test der Allgemeinen Relativitätstheorie, den Katori und Team 2020 am Fuße und an der Spitze des Skytree-Turms in Tokio durchführten. Ye und Forschungsteam untersuchen etwa, was diese Uhren über dunkle Materie aussagen können. Weniger abstrakt sind Anwendungsmöglichkeiten bei der Messung von Höhenunterschieden über große Entfernungen, unter anderem beim Anstieg des Meeresspiegels oder bei der Früherkennung von Erdbeben und vulkanischen Aktivitäten. (sic, 10.9.2021)