Architekt Fritz Matzinger hat den über 500 Jahre alten Vierkanthof in Garsten zu einem Gemeinschaftsbau mit 21 Wohnungen umgebaut, der Innenhof ist nun Atrium für alle.

Foto: Architekturbüro Matzinger

Schafstall, Heuboden und Werkstatt – an die frühere Nutzung des Bauernhofs im oberösterreichischen Engerwitzdorf erinnern schon bald nur noch Türschilder. Wo Bauern einst Schafe gefüttert, gemolken und geschert haben, arbeiten in Zukunft Bürohengste. Der Melkschemel weicht Schreibtischen und Laptops, anstatt der Heugabel greifen Nutzer zukünftig zu Kugelschreibern, hergestellt aus alten Plastikflaschen und Recyclingpapier.

Der Zweikanthof war früher ein Biobauernhof. "Eine klimafreundliche Lebensweise soll weiterhin im Zentrum stehen", sagt Gernot Neuhauser und verweist neben emissionsfreien Druckern auch auf Bio-Fairtrade-Kaffee.

Gemeinsam mit seiner Frau Michaela, die den Hof ihrer Eltern übernommen hat, gestaltet er diesen nun zu einem "Coworking-Hof" um. "Wir sind keine Bauern", sagt Neuhauser. Er leitet eine Firma, seine Frau ist Sonderpädagogin. Also haben sie sich für eine neue Nutzung des Hofes entschieden. Der eigentliche Charakter sollte aber erhalten bleiben. Neben viel Grünfläche, auf der Hühner nach Körnern picken, werden E-Autos vor dem Hof laden. Die Steckdosen werden von Photovoltaikanlagen auf dem Dach gespeist. Geplant sind auch E-Bikes und E-Scooter, die den Mieterinnen und Mietern eine Pause vom Schreibtisch und den Weg ins Dorf erleichtern sollen.

Nach über zwei Jahren Planung laden die Neuhausers nun am 23. September zur Kick-off-Veranstaltung und stellen das Projekt erstmals Interessenten vor. Die Eröffnung feiert das Paar Ende des Jahres. Bis dahin ist auch geklärt, wer Schreibtische und Sessel für die elf Büros und den 56 Quadratmeter großen Besprechungsraum, die "Werkstatt", liefert. Diese Entscheidung ist noch fällig – jedenfalls aber ein österreichischer Anbieter.

Vierkanthof mit Glasatrium

Einen Bauernhof zu neuem, klimaneutralem Leben erwecken ist eine Mammutaufgabe. Das weiß Fritz Matzinger nur zu gut. Der Architekt hat einen über 500 Jahre alten, denkmalgeschützten Vierkanthof wiederbelebt und dafür den Energy Globe Austria in der Kategorie Erde abgeräumt.

Aber von Anfang an: Jahrhundertelang haben Bauern die Äcker des Vierkanthofs in Garsten in Oberösterreich bepflanzt, Tiere gehalten und den Bau fortschrittlich, klimafreundlich beheizt – mit den Abgasen der Tierhaltung. In den vergangenen 30 Jahren ist der Hof verfallen. Ein Knecht hat allein darin gelebt. Der Eigentümer, das Bistum Linz, wusste nichts damit anzufangen – bis vor fünf Jahren.

2016 hat Matzinger das Baurecht für 97 Jahre erworben und sofort an die Baugruppe "Genawo Gemeinschaftlich Wohnen Garsten" übertragen. Gemeinsam haben sie den Hof nach Matzingers Plänen renoviert. "Der Bau war prädestiniert für mich", sagt der Architekt. Seine Spezialität: Innenhöfe mit Glas überdachen und in ein Atrium verwandeln.

Entstanden ist der Bau "Mayr in der Wim" mit 21 Wohnungen, einem Büro und einem 450 Quadratmeter großen Innenhof. "Das Atrium ist der größte, stärkste Sonnenkollektor", sagt Matzinger. Damit die Hitze nicht ins Unermessliche steigt, könne die Abdeckung geöffnet und die Wohnungen "ordentlich belüftet werden". Da die Bausubstanz teilweise in sehr schlechtem Zustand war, habe die Revitalisierung mehr gekostet als ein Neubau. In konkreten Zahlen 3.293.400 Euro. Für Matzinger hat es sich gelohnt. Die Altbausubstanz hat hohe Qualität, sie kühlt im Sommer und speichert Wärme im Winter. "Außerdem", sagt Matzinger, "können wir nicht das ganze Land zupflastern. Wir müssen sanieren."

Schule und Shiatsu

Bauernhöfe müssen ihren Zweck nicht aufgeben, um den Nerv in Zeiten der Klimakrise zu treffen. Das Green-Care-Zertifikat zeichnet Landwirtschaftsbetriebe aus, die innovative Wege einschlagen. Darunter auch das Gratzgut in Haiden, Salzburg. In der alten Bauernstube bietet Bauer Manfred König Shiatsu an, seine Frau Elisabeth gibt Kräuterworkshops in der Rauchkuchl. Dass sich auf dem Dach eine PV-Anlage befindet, erwähnt er nicht extra. Das ist selbstverständlich. (Julia Beirer, 12.09.2021)