Justizminister Merrick Garland sieht die US-Grundrechte in Gefahr.

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In New York City demonstrierten Verfechterinnen von Abtreibungsrechten gegen das texanische Gesetz.

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Wegen "offener Missachtung von Grundrechten" und einer "Intrige, um Frauen den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu verwehren", hat der Justizminister der USA ein Verfahren gegen den Bundesstaat Texas angestrengt. Sein Ziel ist es, das in der vergangenen Woche in Kraft getretene texanische Gesetz 8 zu Fall zu bringen, das einem De-facto-Verbot von Abtreibungen gleichkommt. Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche werden dadurch illegal.

Bei einer Pressekonferenz in Washington begründete Justizminister Merrick Garland am Donnerstag, dass es ihm nicht nur um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gehe. "Der Versuch, die Verfassung der USA auszuhebeln, muss alle Amerikaner, unabhängig von Parteizugehörigkeiten und Politik, beunruhigen", sagte er und warnte, dass daraus ein Modell werden könne, um die Grundrechte auch in anderen Bereichen und in anderen Bundesstaaten auszusetzen.

Applaus und Widerstand

Feministinnen, Vertreter von Familienplanungszentren und Politiker der Demokratischen Partei haben die US-Regierung in den vergangenen Tagen gedrängt, gegen das Gesetz vorzugehen. Am Donnerstagabend reagierten sie erleichtert. "Dies ist ein Wendepunkt", sagte Nancy Northup. Sie ist die Präsidentin des "Center for Reproductive Rights", deren Organisation auch die anhängigen Klagen mehrerer Kliniken gegen das Gesetz gebündelt hat. Brigitte Amiri, Sprecherin der Bürgerrechtsgruppe Aclu, kommentierte zurückhaltender: "Dies ist eine willkommene Nachricht."

Aber Elizabeth Graham von der Organisation "Texas Right to Life", auf deren langjähriges Lobbying das radikalste Gesetz zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung zurückgeht, prognostizierte ein Scheitern des Verfahrens: "Der Justizminister wird feststellen, dass das Gesetz nicht gestoppt werden kann." Ihre Organisation berät bereits andere republikanische Bundesstaaten über Übernahmemöglichkeiten des Gesetzes.

Der republikanische texanische Gouverneur Greg Abbott hat das Gesetz vor einer Woche im Beisein von acht Frauen und mehr als 40 mehrheitlich weißen Männern unterzeichnet. Nun wehrt er sich gegen die Kritik, dass es nicht einmal für Opfer von Gewalt und Inzest das Recht auf Abtreibung zulässt: "Wir werden die Vergewaltiger von den Straßen Texas' eliminieren."

Verschlossene Türen, fehlendes Infomaterial

Quer durch Texas hat das Gesetz bereits dazu geführt, dass die meisten ungewollt schwangeren Frauen vor verschlossenen Türen stehen. Sie können weder Abtreibungen in Texas noch Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten in anderen Bundesstaaten bekommen. Beides ist strafbar. Die zwei Dutzend über den Bundesstaat verteilten Kliniken, die bis Ende August Schwangerschaftsabbrüche durchführten, sind entweder geschlossen, oder sie konzentrieren sich auf die wenigen Abtreibungen vor Ablauf der sechsten Schwangerschaftswoche. Vor dem Gesetz haben 85 Prozent aller Abtreibungen in Texas erst nach der sechsten Schwangerschaftswoche stattgefunden.

Die Befürworter des Gesetzes nennen es "Herzschlaggesetz". Es verbietet Abtreibungen, sobald ein Herzschlag gemessen werden kann, was in der Regel in der sechsten Woche geschieht – zu einem Zeitpunkt, wenn viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Diese enge Befristung steht im Widerspruch zu der Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichts aus dem Jahr 1973. Um ihr "Herzschlaggesetz" dennoch durchzusetzen, haben die texanischen "Lebensschützer" den Trick angewandt, nicht mit Ermittlungsbehörden, sondern mit Bürgern zu arbeiten. Wer immer von einer Abtreibung erfährt, kann die Ärzte, und alle anderen Personen – inklusive Angehörige und Taxifahrer –, die beim Zustandekommen einer Abtreibung eine Rolle gespielt haben, anzeigen. Den Denunzianten winken Belohnungen von 10.000 und mehr Dollar. (Dorothea Hahn aus New York, 10.9.2021)