Es sind in etwa gleich viele Menschen, die die Mindestsicherung beziehen, "aber sie brauchen mehr Unterstützung", sagte der Wiener SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker.

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In Wien waren in den Jahren 2018 und 2019 erstmalig sinkende Zahlen bei der Anzahl jener Personen verzeichnet worden, die Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung (WMS) beziehen. Damit ist es nun vorbei: Der Trend hat sich im Vorjahr eingebremst. Im Pandemiejahr 2020 war die Anzahl der Betroffenen in etwa gleich hoch wie im Jahr davor, wie Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und die Leiterin der Magistratsabteilung 40, Agnes Berlakovich, berichteten.

Die Anzahl der WMS-Beziehenden betrug 2020 im Jahresdurchschnitt 136.267 Personen. Das ist ein marginaler Anstieg um knapp 600 Betroffene. Die Trendwende ist im Mai und Juni verzeichnet worden, als sich die Auswirkungen des ersten Lockdowns bemerkbar machten, hieß es. Damit folgte auf einen weiteren Rückgang zu Jahresbeginn ein Anstieg.

Auswirkungen der Arbeitslosigkeit

Ausgewirkt hat sich laut Stadt vor allem die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Diese Entwicklung führte etwa dazu, dass zahlreiche Menschen, die zu einem geringen Gehalt zusätzlich Leistungen der Mindestsicherung bezogen, zu Vollbeziehern wurden. Zugleich ist dies einer der Gründe, warum die Ausgaben für die Mindestsicherung trotz der Stagnation bei den Beziehern gestiegen sind. "Es sind gleich viele Menschen, aber sie brauchen mehr Unterstützung", berichtete Hacker.

Die Ausgaben stiegen demnach in allen Bereichen, also bei den Zuwendung für den Lebensunterhalt, den ergänzenden Wohnaufwand sowie für die Krankenversicherung. Der Zuwachs betrug dabei bis zu neun Prozent. Insgesamt wurden 2020 mehr als 660 Millionen Euro ausbezahlt.

Als Gründe für das Ausgabenplus wurden auch die jährliche Anpassung des Mindeststandards an den Ausgleichszulagenrichtsatz (aktuell 3,5 Prozent), eine längere Bezugsdauer, der Anstieg bei Alleinerziehenden oder die Veränderung bei den Bedarfsgemeinschaften genannt. Im Rahmen der Wiener Jugendunterstützung wurden junge Erwachsene bis 25 Jahre aus den Bedarfsgemeinschaften ihrer Eltern herausgelöst auch wenn sie im gleichen Haushalt wohnen.

Corona-Hilfen im Sommer

Die Spitze des Zuwachs wurde im Vorjahr in den Monaten Juni und Juli verzeichnet. Danach dürften Maßnahmen des Bundes und der Stadt die Situation abgefedert haben, vermutet man. Hier wurde die erhöhte Notstandshilfe genannt. Vom Ausmaß derartiger Zuwendungen sei es auch abhängig, wie sich die Situation 2021 entwickle, wurde betont. Im Rathaus rechnet man aber jedenfalls mit mittel- bis langfristigen Folgen, etwa aufgrund entgangener Pensionsbeitragsjahre, was zu Zuzahlungen bei den Rentnern führen dürfte.

41 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher der Wiener Mindestsicherung waren 2020 Erwachsene ab 25 Jahren, acht Prozent waren jüngere Personen im erwerbsfähigen Alter. Mehr als die Hälfte der Betroffenen steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, wie Hacker hervorhob. Denn 35 Prozent seien Minderjährige – und 16 Prozent Pensionistinnen und Pensionisten. 55 Prozent aller Bezieher waren keine österreichischen Staatsbürger.

FPÖ und ÖVP toben

Dieser Umstand stieß der FPÖ sauer auf: Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte in einer Aussendung, dass Österreicher bei der Wiener Mindestsicherung Vorrang haben müssten. Er pochte auf die Umsetzung des Sozialhilfegrundgesetzes in Wien. Fremde Staatsbürger sollten, soweit es verfassungsrechtlich zulässig ist, keine Leistungen mehr aus der Mindestsicherung beziehen, verlangte Nepp.

Auch die ÖVP sprach von "erschreckenden" Zahlen. Ein radikales Gegensteuern sei nötig, urgierte Klubchef Markus Wölbitsch. Obwohl Wien 20 Prozent der Einwohner Österreichs habe, würden hier rund 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher leben. Auch die Volkspartei beklagte, dass eine rechtskonforme und vollständige Umsetzung des Sozialhilfegrundgesetzes in Wien weiter auf sich warten lasse. (APA, 10.9.2021)