Vorgesetzte müssen einer wachsenden Druckbelastung standhalten. Beansprucht der Veränderungsdruck bereits beachtliche Aufmerksamkeitskräfte, toppt der Erwartungsdruck diese Beanspruchung noch. Von "oben" drückt die Ergebniserwartung. Von "unten" die Verhaltenserwartung. Dritter im Bunde ist der selbstgemachte Druck, diesen Erwartungen zu entsprechen.

Das sind potenziell verschleißintensive Druckverhältnisse. Im Handumdrehen können die zu apokalyptischen Reitern werden, die als destabilisierende Begleiter durch den Tag im Nacken sitzen. Es braucht keine hellseherischen Qualitäten, um vorauszusagen: Wer nicht versteht und es schafft, mit dieser Konstellation umzugehen, den erwartet eine schleichende Beeinträchtigung von Leistungsfähigkeit und Gesundheit.

Leistungsfähigkeit fußt auf Gesundheit. Gesundheit fußt auf kluger Selbstführung. "Sich als Führungskraft selbstbewahrend verhalten zu können und zu verhalten, wird ein künftig qualifizierendes Persönlichkeitsmerkmal sein. Möglicherweise im Eignungsprofil sogar noch vor der fachlichen Qualifikation eine Rolle spielen", betont Erich Kirchler, Professor an der Fakultät für Psychologie, Universität Wien, und am Institut für Höhere Studien (IHS). "Sich dessen bewusst zu sein und der Bewahrung der persönlichen Selbstwirksamkeit die gebotene Aufmerksamkeit zu schenken muss in Führungspositionen als Reaktion auf die Belastungsentwicklung stärker in den Fokus rücken."

Umgang mit Druck

Der Gedanke dahinter ist: Druck auszuhalten verlangt zwingend, Druck auch wieder abzubauen. Ohne ausgleichende Regeneration verliert Aktion ihre Durchschlagskraft. Kirchler sieht darin die initiale Einsicht zur Erhaltung der Selbstwirksamkeit in Führungspositionen. Werde die hohe Belastung nicht durch eine konsequente Entlastung kompensiert und dem Organismus dadurch die Möglichkeit zur Erholung gegeben, "untergräbt dieses Versäumnis eher früher als später über die gesundheitliche Beeinträchtigung die persönliche Spannkraft als Voraussetzung anhaltender Leistungsfähigkeit".

Das zunächst noch diffuse Spüren nachlassender Belastungs- und Leistungsfähigkeit ist ein sicheres Indiz für das Ungleichgewicht von Anspannung und Entspannung. Eine solche unterschwellige Unzufriedenheit mit der eigenen Performance wirkt enorm destabilisierend. "Die sich einstellende Selbstunzufriedenheit wird meist dem ständigen Anziehen der Leistungsschraube angelastet, mit deren Umdrehungen Schritt zu halten zunehmend schwerer fällt. Wenn diese innere Argumentation auch nicht rundheraus zurückgewiesen werden darf und kann, so steht dem doch das Wissen entgegen, dass Menschen auch an und mit ihren Anforderungen wachsen, sofern sie sich nicht selbst im Wege stehen", sagt Kirchler.

Wer sich selbst im Wege steht, hat kein Zutrauen zu sich selbst.
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Was ist Selbstwirksamkeit?

Vor dem Hintergrund, dass nicht gerade wenige eine ausgeprägte Fähigkeit haben, sich selbst im Wege zu stehen, eine gleichermaßen nachdenklich stimmende wie auffordernde Diagnose für das Phänomen nachlassender Selbstwirksamkeit. Beileibe nicht nur von Führungskräften.

Anforderungen, die sich dauernd stellen, in den Griff zu bekommen, Aufgaben mit Um- und Weitsicht zu lösen, aus Erfahrungen zu lernen und dazu Widerstände zu überwinden. In unklaren Verhältnissen klaren Kopf zu bewahren, Veränderungen zu bewältigen, mit sich selbst und anderen Menschen umgehen zu können, dafür steht der Begriff Selbstwirksamkeit. Fraglos trifft die alte Erkenntnis zu, dass an der unwiderstehlichen Gewalt der Verhältnisse selbst die beste Kraft scheitert und von ihr ebenso oft die mittelmäßige emporgetragen wird.

Wer sich selbst im Wege steht, hat kein Zutrauen zu sich selbst. Sich selbst im Wege zu stehen bedeutet, weder Kraft noch Zuversicht aus dem Wissen schöpfen zu können, bereits aus eigener Leistungsfähigkeit plus Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer etwas zuwege gebracht zu haben.

Tragende Rolle

Da sich der Umgang mit Schwierigem, Unvorhergesehenem, Unklarem und folglich Unsicherheit Auslösendem aller Voraussicht nach zu einem noch eindeutigeren Anforderungsmerkmal von Führungspositionen entwickeln dürfte, kommt es mehr denn je auf das Zutrauen zu sich selbst an. Persönliche Zuversicht und Unverdrossenheit sind wichtige Helfer im beruflichen Hürdenlauf. Beides aktiviert, setzt Initiative und innovatives, kreatives Verhalten frei und wirkt als Gegenspieler zu passiver Befangenheit in sich selbst.

Lässt sich Selbstwirksamkeit in Eigenregie entwickeln, um Gesundheit wie Leistungseffizienz sicherer zu gründen? "Wer erkennt, welch tragende Rolle dabei die eigenen Gedankenspiele haben und wie diese im täglichen Tun wie Lassen die Erfolgs- oder Misserfolgsweichen stellen, hat den Anfang des Fadens in der Hand, der, beharrlich verfolgt, in eine zuverlässige Selbstwirksamkeit führt", sagt Kirchler.

Instabile Selbstwirksamkeit, erläutert er, kann unterschiedliche Ursachen und ebenso auch unterschiedliche situative Auslöser haben. Biografische Hintergründe können ebenso dazu beitragen wie beispielsweise schlecht verarbeitete Misserfolgserlebnisse oder zwischenmenschliche Rankünen, die in Führungspositionen gern ihr Unwesen treiben. (Hartmut Volk, 11.9.2021)