Demonstration von Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Maßnahmen in Österreich.

Das Bekenntnis der Österreicherinnen und Österreicher zur Demokratie ist stabil. Der Anteil jener aber, die mit der Ausgestaltung des politischen Systems unzufrieden sind, nimmt seit den 1980er- Jahren stetig zu. Das geht aus einer am Freitag präsentierten, repräsentativen Studie über Österreichs Demokratiebewusstsein von 2009 bis heute hervor. Dafür erfragten die beiden Meinungsforscher und Politologen Peter Ulram und Peter Hajek die Einstellung der Bevölkerung unter dem Eindruck der drei großen Krisen in diesem Zeitraum. Die empirische Erhebung basiert auf österreichweiten, repräsentativen Umfragen (telefonisch und online) der Institute GfK-Austria (2009 und Vorjahre), Spectra (2015/16) sowie Peter Hajek Public Opinion Strategies für das Jahr 2021.

Demnach war die Unzufriedenheit während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 am ausgeprägtesten (53 Prozent). In der Covid-19-Pandemie bekundeten 39 Prozent Unmut mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Österreich funktioniert, während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 waren es 25. In allen drei Fällen allerdings fiel der Anteil der "Vertrauensvollen" größer aus als jener der "Besorgten".

Mehr Unzufriedenheit als Ablehnung

Krisen würden also nicht zwangsläufig zu einer größeren Ablehnung des demokratischen Systems an sich führen. Die Unzufriedenheit ändere eher die Optimismus-Pessimismus-Relation innerhalb der von der Demokratie überzeugten Gruppe. Dieser Unmut mit dem politischen System sei "stark von aktuellen Ereignissen geprägt", sagt Ulram. Dass er seit den 1980er-Jahren – mit Schwankungen zwar, aber dennoch – steigt, sieht Peter Hajek bei dem, was er als "demokratiepolitische Bruchstelle mit dem Nachkriegsösterreich" bezeichnet: ÖVP und SPÖ verloren an Wählerschaft, die FPÖ gewann unter Jörg Haider an Gewicht, die Bildung der Grünen und Liberalen. "Trotz des breiten politischen Angebots blieb uns die Unzufriedenheit aber erhalten", zieht Hajek Bilanz.

Autoritäres Potenzial bei rund zehn Prozent

Generell ist der Anteil der Demokratinnen und Demokraten in den vergangenen Jahren zwar von einst 90 Prozent auf aktuell 83 Prozent gesunken – womit Österreich im internationalen Vergleich ähnliche Ergebnisse aufweist wie etwa Studien in den G7-Ländern USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich und Italien. "Nach einer großen Demokratisierungswelle Ende des vorigen Jahrhunderts sehen wir heute Anzeichen demokratischen Rückschritts selbst in etablierten Demokratien", fasst es Ulram zusammen. Gleichzeitig gab es in diesem Zeitraum Peter Ulram zufolge aber in Österreich keinen signifikanten Anstieg autoritären Potenzials, das sich stets um die zehn Prozent bewegt hat.

Mehr jüngere "autoritäre Newcomer"

Die jüngere Generation ist unter den "autoritären Newcomern" stärker vertreten als die ältere. Unter Impfskeptikerinnen und -skeptikern sowie unter Impfgegnerinnen und -gegnern finde sich ein größeres autoritäres Potenzial als unter jenen, die Vakzine befürworten. Von der Demokratie entfremden sich eher solche, die Impfungen ablehnen, während autoritär Eingestellte eher zu den Impfskeptikerinnen und -spektikern zählen. Diese Gruppe sei nicht ausschließlich am politisch rechten Rand zu verorten.

Zwar gelte: Je weiter rechts jemand stehe, desto weniger demokratieaffin sei diese Person. Generell sei dieser autoritäre Prozentsatz allerdings nicht eindeutig parteipolitisch festzumachen. Oder, wie es Hajek bei der Vorstellung des Berichts formulierte: "Es ist nicht so, dass die Impfgegner oder Impfskeptiker Herbert Kickl (FPÖ-Chef, Anm.) nachlaufen. Es ist umgekehrt, Herbert Kickl läuft den Impfgegnern nach." Insofern würde auch ein FPÖ-Meinungsschwenk beim Impfen nur eine geringe Anzahl von Menschen erreichen.

Höchste Zufriedenheit unter größten Einschränkungen

Die Daten im Detail: Bei jenen, die sich als Demokrat oder Demokratin bezeichnen, war der Anteil der Geimpften bzw. Impfbereiten (die Daten stammen von vergangenem April, als noch nicht genügend Impfungen für alle vorhanden waren) mit 57 Prozent am höchsten war (29 Prozent skeptisch, 18 Prozent ablehnend). Die meisten Impfgegnerinnen und -gegner fanden sich mit 45 Prozent unter jener Gruppe, die sich als von der Demokratie entfremdet bezeichnen (34 Prozent geimpft oder impfbereit, 21 Prozent skeptisch). Die meisten Impfskeptikerinnen und -skeptiker fanden sich mit 39 Prozent unter der Gruppe, die das autoritäre Potenzial ausmacht: Hier waren 36 Prozent für und 25 Prozent gegen die Impfung.

Die Demokratiezufriedenheit hingegen war ausgerechnet während des ersten harten Lockdowns im März des Vorjahres, der enorme Einschränkungen brachte, am größten (78 Prozent) – "weil der Staat Stärke gezeigt hat" (Hajek). Spätestens mit dem dritten Herunterfahren des öffentlichen Lebens nahm die Zustimmung mit der Funktionsweise des politischen Systems wieder ab. Bei der letzten Befragung im April lag sie bei 59 Prozent. (giu, 10.9.2021)