Nach dem Wirecard-Skandal wird der Leitindex der Deutschen Börse umgebaut, die Änderungen werden demnächst wirksam.

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Der deutsche Leitindex Dax erfährt demnächst den größten Umbau seiner Geschichte. Nötig wurde er durch den Wirecard-Skandal, als sich das zuvor gefeierte Indexunternehmen als Betrugsfall entpuppte und binnen Tagen in sich zusammenfiel. Kernstück der Reform des Börsenbarometers ist seine Verbreiterung: Ab 20. September wird sich der Dax im neuen Gewande mit 40 statt bisher 30 Mitgliedern präsentieren. Nun stehen die zehn zusätzlichen Indexunternehmen fest. Gelingt es mit ihnen, die deutsche Wirtschaft wie geplant besser im Dax abzubilden?

Auf den ersten Blick wirkt der Dax künftig breiter und moderner. Mit dem Onlinehändler Zalando und dem Kochboxversand Hellofresh ergänzen zwei Vertreter der Internetwelt den Dax, dazu kommen Siemens Healthineers und zwei weitere Vertreter aus dem zukunftsträchtigen Gesundheitssektor. Dennoch bezeichnet Peter Brezinschek, Chefanalyst der RBI, den Dax-Ausbau als "Augenauswischerei". Denn die bisherigen 30 Dax-Mitglieder würden auch weiterhin etwa 85 Prozent des Index ausmachen.

Von den Neulingen wird Airbus, das Schwergewicht unter den Aufsteigern, etwa fünf Prozent ausmachen. Die anderen neun Neuzugänge kommen Brezinschek zufolge insgesamt nur auf rund zehn Prozent Gewichtung. An der branchenseitigen Ausrichtung werde sich daher nicht viel ändern. Der Autosektor, Chemie, Energie sowie Finanzwerte würden weiterhin die Marschrichtung des Kursbarometers vorgeben.

Drei Mal Siemens

Zudem sieht Brezinschek kritisch, dass neben Siemens nun zwei weitere Konzerngesellschaften aus den Bereichen Energie- und Gesundheit im deutschen Leitindex notieren würde. Ähnlich verhält es sich bei der Aufnahme der Porsche Holding, die nur bedingt eine Verbreiterung des Index darstellt. Schließlich stellt der Mehrheitsanteil an Volkswagen, die ohnedies bereits im Dax vertreten ist, den Löwenanteil des Vermögens der von den Familien Porsche und Piëch kontrollierten Dachgesellschaft dar. Eigene Umsätze erzielt nur die Tochter PTV aus Karlsruhe, ein Berater und Softwareanbieter für Mobilitätslösungen mit knapp 900 Beschäftigten. Zudem hält die Holding Beteiligungen an Technologieunternehmen aus den USA und Israel.

Generell verweist der RBI-Chefanalyst darauf, dass die Struktur der deutschen Wirtschaft wie die österreichische hauptsächlich von mittelständischen Unternehmen geprägt sei. Dies lasse sich nicht wirklich durch große, börsennotierte Konzerne abbilden.

Als "Schattenseite" empfindet Brezinschek zudem, dass der MDax, der gewissermaßen die zweite Börsenliga in Deutschland darstellt, durch den Umbau stark geschwächt werde. Jahrelang konnte der Index seinen großen Bruder von der Performance her hinter sich lassen, aber nun verliert er durch deren Aufstieg in die Topliga seine zehn größten und wichtigsten Vertreter. Ersatz kommt keiner, der Index wird von 60 auf bald 50 Mitglieder abgespeckt.

Gut entwickelt

Ein möglicher Aufstieg in einen höherwertigen Index kann die betreffenden Unternehmen schon im Vorfeld beflügeln – schließlich müssen ETFs (Exchange Traded Funds) auf den betreffenden Index dann die Aktien dieser Unternehmen in entsprechendem Ausmaß erwerben. Das zeigt sich am sogenannten Deutschen Aufsteiger Index, in dem die Kursentwicklungen der aussichtsreichsten Aufstiegskandidaten in den Dax, MDax und die zwei kleineren Vertreter SDax und TecDax abgebildet werden. Mit einem fast 40-prozentigen Plus erzielte er in den vergangenen zwölf Monaten beinahe eine doppelt so hohe Performance wie der Dax.

Zu einer Veränderung kommt es auch im Wiener Leitindex. CA Immobilien Anlagen bekommt bald etwas weniger Gewicht im ATX wegen eines verringerten Streubesitzes. Wirksam wird dies ebenfalls am Montag, den 20. September. (Alexander Hahn, 11.9.2021)