Einst beinahe blind, hat Johann König heute einen Teil seines Augenlichts wiedererlangt.

Foto: Lukas Gansterer
Foto: Lukas Gansterer

Mit elf verlor er bei einem Unfall beinahe sein Augenlicht. Das hinderte Johann König (40) aber nicht, vor rund 20 Jahren seine erste Galerie in Berlin zu eröffnen. Als Sohn des berühmten Ausstellungsmachers Kasper König (Kunstbuchhändler Walther König ist sein Onkel) war König von Kindesbeinen an von Kunst und Künstlern umgeben. Heute ist die König Galerie in der ehemaligen Kirche St. Agnes in Kreuzberg genauso Kunst- wie Szenetreffpunkt. Mit seinen unkonventionellen Ideen überrascht der Galerist immer wieder, die Zeitschrift Monopol bezeichnete ihn zuletzt als "Systemsprenger". Die Videoversion dieses "StandArt"-Gesprächs sehen Sie auf unserer Onlineseite.

STANDARD: Herr König, was planen Sie genau im Kleinen Haus der Kunst?

König: Es war schon lange mein Plan, in Wien Kunst zu zeigen. Als ich vor zwanzig Jahren meine Galerie gegründet habe, habe ich mich zwischen Berlin und Wien entscheiden müssen. Meine Mutter ist gebürtige Wienerin, dennoch fiel die Wahl auf Berlin. Als sich jetzt das Angebot auftat, im ehemaligen Novomatic-Forum gegenüber der Sezession Ausstellungen zu zeigen, habe ich sofort zugesagt. Wir werden am 7. Oktober mit einer Gruppenausstellung von Bildhauerinnen, bedeutenden Künstlerinnen der vergangenen 25 Jahre eröffnen.

STANDARD: Sie sind für ungewöhnliche Konzepte bekannt und planen keine herkömmliche Galerie, oder?

König: Es geht um das Verfügbarmachen und das niederschwellige Angebot von Kunst. Eine Galerie ist ein Ort, wo man Kunst kaufen kann, unsere Standorte hier in Berlin oder auch zukünftig in Wien sind dagegen vom Machen von Ausstellungen motiviert, nicht vom Verkauf von Kunstwerken. Man kann dort gar nicht kaufen, im Nebenraum wird es allerdings die Möglichkeit geben, andere Arbeiten, Editionen oder auch Souvenirs zu erstehen.

STANDARD: Sie haben ein Problem mit dem Wort Galerie?

König: Die meisten Menschen denken beim Wort Galerie an eine Art Kunsthandlung. Wir sind ein Ausstellungshaus und verstehen uns als Produzent von Ausstellungen. Der Verkauf findet eher separat auf Messen oder im Internet statt. Wir sehen uns als Ergänzung zum großartigen Wiener Kunstangebot.

STANDARD: Das Kleine Haus der Kunst wird von Martin Ho geführt. Er hat in der Kunstszene nicht den besten Ruf. Warum passt für Sie diese Zusammenarbeit?

König: Wir haben in der Bespielung der Räume absolute Autonomie und machen das, was wir machen wollen. Die Vermittlung ist durch den Künstler Erwin Wurm zustande gekommen. Ähnliche Kooperationen haben wir auch in London, in Bodrum, Monaco oder Seoul. Es muss natürlich klar sein, wer welchen Part übernimmt, unserer ist die Programmatik und das Verantworten von Ausstellungen.

STANDARD: Martin Ho ist ein schillernder Geschäftsmann, der in seiner Galerie einen niederschwelligen, manche würden sagen populistischen Zugang zu Kunst pflegt. Ist es genau das, was Sie an der Zusammenarbeit reizt?

König: Die Art, wie wir als König Galerie Kunst vermitteln, ist von meiner privilegierten Position im Kunstbetrieb geprägt. Franz West war ein guter Freund meines Vaters, Gerhard Richter der Trauzeuge meiner Eltern. Ich komme aus der Kunstelite, mich motiviert, wie ich die Menschen zur Kunst bringen und ihnen beibringen kann, dass sie in einer Galerie nichts kaufen müssen. Wie andere Kollegen das machen, spielt für mich eine untergeordnete Rolle. In Berlin habe ich meinen Standort, St. Agnes, von der katholischen Kirche gepachtet. Mich interessiert auch dort nicht, wie die ihre Museen betreiben.

STANDARD: Sie sind der bekannteste Galerist Berlins. Schwingt Freude am Tabubruch mit, wenn Sie mit jemandem wie Martin Ho eine Kooperation eingehen?

König: Ich kriege die vage Kritik an Martin Ho nur von außen mit, seine Nähe zur Regierung usw. Ganz verstehen tue ich sie aber nicht. Mir geht es darum, die Wahrnehmung von Kunst mitzuprägen. Dabei arbeite ich ganz generell mit unterschiedlichen Partnern zusammen, von Immobilienentwicklern bis zu großen Modehäusern.

STANDARD: Wie möchten Sie die Kunstszene in Wien aufmischen?

König: Mich motiviert, die vielen ungeschriebenen Regeln des Kunstbetriebs infrage zu stellen. Etwa Preise nicht auszuzeichnen oder nicht über den Markt zu sprechen. Das ist aber nicht speziell auf Wien bezogen. Wir kommen nicht nach Wien, um jemandem etwas wegzunehmen. Wir wollen ein Angebot für ein jüngeres Publikum schaffen und den Kunstbegriff von morgen mitprägen. Die Kunst ist noch immer stark von anderen Bereichen der Kultur separiert. Wir haben gezeigt, dass wir gut darin sind, diese zu verknüpfen.

STANDARD: Was ist denn das Problem mit dem Galeriensystem?

König: Der Kunstmarkt hat sich nicht zuletzt durch Corona massiv verändert, die Galerien verstehen sich aber immer noch als Kanal für Künstler zum Markt. Wir haben neben der Zusammenarbeit mit Künstlern einen Kunstmarktplatz für den Primär- und Sekundärmarkt geschaffen. Auf www.misa.art kann man Kunst und NFTs abseits von Auktionen und der Gefahr, Künstler zu verbrennen, wenn sie auf einer Auktion durchfallen, kaufen und verkaufen. Damit stellen wir wesentlich mehr Künstlern Platz zur Verfügung, als wir je vertreten könnten. Es ist ein Wunder, dass noch niemand auf diese Idee kam.

STANDARD: Warum werden in der Kunst nicht öfters neue Vertriebswege ausprobiert?

König: Der Kunstbetrieb ist einer der konservativsten Betriebe, die man sich vorstellen kann. Er ist zwar inhaltlich progressiv, was seine Strukturen anbelangt, gibt es aber wenig Innovation.

STANDARD: Sie dagegen probieren beinahe täglich eine andere Form aus, Kunst unter die Leute zu bringen. Von Instagram-Talks bis zu Künstlersouvenirs: Sehen Sie sich als Kunstentertainer?

König: Man muss Geschichten erzählen, um die Leute zu erreichen. Ich will die Kunst zwar vom Sockel heben, bin in der Sache aber relativ konservativ. Es ist erstaunlich, wie es die Kunst geschafft hat, diesen Nimbus der Intellektualität aufzubauen. Die Kunst ist ultrademokratisch, sie ist kein Spielball von ein paar Ultrareichen. Jeder kann ins Museum gehen. Man muss den Leuten nur die Hand reichen.

STANDARD: Wie hat sich die Kunstszene durch die Pandemie verändert?

König: Durch Corona kam es zu größerer Transparenz, was die Preise anbelangt. Da ist ein Innovationsschub passiert. Wir werden auch eine große Veränderung erleben, was die Messen angeht: Sie werden regionaler werden. Dass die halbe Kunstwelt für fünf Tage nach Hongkong fliegt, das wird es in einer Zeit, in der der Klimawandel in uns allen immer bewusster wird, hoffentlich nicht mehr geben.

Johann König (geb. 1981 in Köln) gilt als hipster Galerist Berlins. Er residiert in der brutalistischen St.-Agnes-Kirche in Kreuzberg. Am 7. Oktober eröffnet er im Kleinen Haus der Kunst in Wien.

(INTERVIEW: Stephan Hilpold, 11.9.2021)