Mit Mitte 20 hatte Roland Fink als Webdesigner viele Ideen für ein eigenes Geschäft. Da keine funktionierte, suchte er sich "etwas Einfaches". E-Commerce erschien ihm geeignet. "Einkaufen, verkaufen und dazwischen bleibt etwas über." Heute verschickt seine Firma Niceshops täglich bis zu 20.000 Pakete aus dem kleinen Ort Saaz in der Steiermark.

STANDARD: Medien nennen Sie immer wieder den "österreichischen Mr. Amazon". Gefällt Ihnen das?

Fink: Ich habe großen Respekt vor Amazon und davor, wie gut deren System für Kunden funktioniert. Allerdings halte ich nichts davon, wie sie mit den Mitarbeitern in Logistikzentren umgehen. Es kann nicht sein, dass ein Computersystem Leute entlässt, weil die zu oft auf die Toilette gehen. Oder dass der Konzern behauptet, nichts von Anstellungsverhältnissen rund um Verteilzentren zu wissen. Das kann nicht mehr lange so gehen, sie werden sich etwas überlegen müssen. Dementsprechend mag ich den "Titel" nicht.

STANDARD: Was macht Niceshops anders?

Fink: Die Arbeit bleibt immer die gleiche. Deswegen versuchen wir, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Leute nicht zwider sind und ihre Familie angranteln, wenn sie nach Hause kommen. Dafür muss man das Rad nicht neu erfinden.

Als Roland Fink anfing, Nahrungsergänzungsmittel zu verschicken, folgte unmittelbar eine Klage eines deutschen Konzerns: "Die prägendste Erfahrung war die Abmahnpolitik deutscher Anwälte".
Foto: Standard/Alexander Danner

STANDARD: Inwiefern?

Fink: Fast jeder hat Stress im Job, die Frage ist: Was passiert in den Pausen? Wir stellen unseren Mitarbeitern beispielsweise kostenlos Frühstück und Mittagessen zur Verfügung oder organisieren Gesundheitstrainings. Das kostet die Firma nicht viel und hebt die Stimmung. Die Stimmung im Team macht so viel mehr aus, als man meinen möchte. Und der Eigennutzen ist schließlich auch da. (lacht)

STANDARD: Als E-Commerce-Unternehmen gehören Sie zu den Krisen gewinnern.

Fink: Das Volumen ist stark gestiegen, das war logistisch eine große Herausforderung. Teilweise haben wir Zelte aufgebaut, damit alle Packerln rechtzeitig rausgehen können. Trotzdem war natürlich gewisse Unsicherheit da. Teams wurden getrennt, wer konnte, ging ins Homeoffice.

STANDARD: Was verkaufte sich am besten?

Fink: Logischerweise alles, was das Leben daheim schöner macht. Aufstellpools, Gartenzubehör, Möbel. Und natürlich E-Bikes. Wir haben erstmals mehr als 100 Millionen Euro Umsatz gemacht, das ist ein Plus von 82 Prozent im Vergleich zu 2019.

STANDARD: Wie hat Corona den Onlinehandel verändert?

Fink: Corona hat ihn gar nicht verändert, aber die Pandemie hat die Entwicklung beschleunigt. E-Commerce hat einen Anteil von etwa 14 Prozent am Gesamthandel. Einen Deckel sehe ich erst bei 40 bis 50 Prozent, es gibt noch viel Luft nach oben. Das bedeutet aber auch, dass wir uns auf einen scharfen Strukturwandel einstellen müssen, den vor allem die Bequemlichkeit der Menschen befeuert.

"Logistik wurde von Anfang an falsch gedacht", meint Roland Fink. Es sollte die vielen Kartons gar nicht brauchen.
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STANDARD: Was meinen Sie damit?

Fink: Handel entwickelt sich immer mehr in Richtung Dienstleistung. Leute wollen Erlebnisse, Leute wollen in ihrer Freizeit keine Arbeit. Manchmal ist Einkaufen Arbeit. Blumenerde mit der U-Bahn durch Berlin zu schleppen zum Beispiel – das macht niemandem Spaß.

STANDARD: In der Zustellung gibt es vor allem für die letzte Meile viele unterschiedliche Ideen. Was tut sich da bei Niceshops?

Fink: In Wien, Linz, Graz und Salzburg stellen wir die letzten Meter mit dem Fahrrad zu. Auch Drohnen sind ein Thema. Allerdings keine Drohne, die einem die Pizza vor die Haustür liefert, sondern Schwerlastdrohnen, die Dinge von Verteilzentrum zu Verteilzentrum bringen. Generell läuft Zustellung aber noch lange nicht so, wie das alle gerne hätten. Es scheitert primär an IT-Strukturen, die entweder adaptiert oder überhaupt erst aufgebaut werden müssen.

"Beim Onlinehandel ist noch viel Luft nach oben. Die Bequemlichkeit der Menschen befeuert den Wandel."

STANDARD: Oft sind Produkte doppelt in Karton verpackt plus Luft kissenpolster. Muss das sein?

Fink: Logistik wurde von Beginn an falsch gedacht. Sie sollte so konzipiert sein, dass ich kein Verpackungsmaterial brauche. Heute ist es so, dass Packerln wild herumgeschleudert werden, Sortiermaschinen viel Druck ausüben und nicht jeder Zusteller mit Samthandschuhen Packerln ausliefert. Deswegen sichert man sich lieber doppelt ab, doch da muss etwas passieren. Wäre das System so angelegt, dass alles mit Sackerln verpackt wird, würde heute alles ganz anders aussehen. Verpackungsmaterial macht ein Drittel unseres CO2-Fußabdrucks aus, das ist sehr viel. Zu viel.

STANDARD: Wie viel genau?

Fink: Wir emittieren 1005 Tonnen CO2 pro Jahr, mehr als 300 Tonnen resultieren aus der Verpackung.

E-Bikes gingen in der Krise weg wie warme Semmeln. Oder Klopapier. Oder Nudeln.
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STANDARD: Sie behaupten, Niceshops agiert bereits klimaneutral, womit kompensieren Sie die Emissionen?

Fink: Wir kompensieren mit Projekten in Bangladesch und vor der Haustür. Familien in Bangladesch bekommen ein Gerät namens Wadi, entwickelt von der Wiener Firma Helioz, um die Wasserqualität zu überprüfen. Dadurch sparen sie sich Brennholz zum Aufkochen, und es kommt zu weniger Krankheiten. In der Steiermark unterstützen wir Landwirte, bei der Bestellung der Felder etwas zu ändern. Gemeinsam mit der Ökoregion Kaindorf zeigen wir ihnen, wie sich im Boden mehr Humus aufbauen lässt. Humus bindet massig CO2. Außerdem sinkt die Hochwassergefahr, weil der Boden mehr Wasser aufnimmt, und Pflanzen kommen besser durch Trockenperioden. Es funktioniert. Einzig Leute in Österreich zu überzeugen, etwas anders zu machen, ist nicht immer einfach. Ziel ist es, gar keine Emissionen mehr zu verursachen.

STANDARD: Wie unternehmerfreundlich bzw. -feindlich ist Österreich?

Fink: Ich habe wenig zu jammern in Österreich, auch wenn das un typisch ist. Wirklich nervt mich, dass Konzerne immer noch Gewinne nach Belieben in Steueroasen herumschieben können. Die globale Mindeststeuer ist ein erster guter Schritt, es braucht mehr Fairness.

Niceshops versucht ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das verhindern soll, dass die Angestellten "zwider sind und ihre Familien angranteln".
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STANDARD: Wie kamen Sie überhaupt zum E-Commerce?

Fink: Mit Mitte 20 war ich Web designer, ich hatte viele Ideen für eigene Projekte, die wurden allesamt nichts. Ich dachte, ich suche mir etwas Einfaches. E-Commerce erschien mir einfach. Einkaufen, verkaufen und dazwischen bleibt etwas über. Es ging als Hobby los, meine Schwiegermutter hat mir geholfen und sich die Pension etwas aufgebessert. 2010 ging es dann richtig los.

STANDARD: Welche prägenden Erinnerungen bleiben von der Anfangszeit?

Fink: Deutsche Anwälte. Begonnen habe ich mit Nahrungsergänzungsmitteln. Im Handumdrehen flatterte eine Klage eines deutschen Konzerns aus Angst vor Konkurrenz ins Haus. Diese Abmahnpolitik kannte ich nicht, die gibt es sonst nirgends, das macht den Markt einzigartig. Zum Glück gibt es mittlerweile strengere Regeln.

STANDARD: Schaffen Sie es, neben der Arbeit abzuschalten?

Fink: Nein. Aber ich will das auch gar nicht. Die größte Herausforderung ist, genügend Zeit für meine Familie zu finden. (Andreas Danzer, 12.9.2021)