Um den Mann buhlt man in Oberösterreich vom rechten wie auch vom linken Rand: Sowohl FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner als auch Grünen-Chef Stefan Kaineder wollen eine Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP unter Landeshauptmann Thomas Stelzer.

APA/Barbara Gindl

Linz – Was zu drehen, das erfreut sich in Oberösterreich größter Beliebtheit. Gemeint ist damit natürlich nicht das Abdriften ins illegale Eck, sondern vielmehr die händische Produktion unzähliger Knödelvariationen. Dass der Knödel historisch aus Oberösterreich kommt, ist sogar amtlich. Der älteste Knödelfund ist rund 4.000 Jahre alt, datiert aus der Jungsteinzeit und kann im Pfahlbaumuseum Mondsee zwar nicht mehr gekostet, aber zumindest begutachtet werden.

Angesichts der Beliebtheitswerte ist es wenig verwunderlich, dass die knödelige Köstlichkeit in Wahlkampfzeiten zur Wählerstimmenmaximierung herhalten darf. Und so präsentierte Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) jüngst vor 200 Gästen den original-regionalen "Oberösterreich-Knödel".

Blaues Auge

Was auf den ersten Bissen schmeckt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung fast schon als Synonym für die aktuelle politische Lage im Land im Allgemeinen und die mittlerweile vierjährige Amtszeit von Thomas Stelzer im Speziellen. Es läuft über weite Strecken rund in Oberösterreich. Stelzer eckt nirgends wirklich an – und tischt bei Kritik an der schwarz-blauen Regierungshülle gerne Erfolge wie das stärkste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer und die niedrige Arbeitslosenquote auf.

Eigentlich könnte die ÖVP mit einem entsprechend hohen Maß an Gelassenheit durch den aktuellen Wahlkampf ziehen. Die Umfragen sehen die Schwarzen bei knapp über 40 Prozent, ein heikles Thema, das zum Stolperstein im Finish werden könnte, ist nicht in Sicht, sowohl FPÖ als auch Grüne sitzen bereits vor dem Urnengang auf dem Schoß der ÖVP.

Doch der Schock der letzten Landtagswahl 2015 sitzt zu tief: Im Jahr der großen Flüchtlingswelle kassierte die ÖVP, damals noch mit Josef Pühringer an der Spitze, eine deftige blaue Ohrfeige, sackte von 46,7 auf 36,4 Prozent ab, während sich die FPÖ auf 30,4 Prozent nahezu verdoppelte. Die schwarz-grüne Regierungszusammenarbeit in der Proporz regierung, die zuvor zwölf Jahre gehalten hatte, ging sich damit nicht mehr aus. Stelzers Vorgänger Josef Pühringer wandte sich – auf dringlichen Wunsch nicht weniger Parteikollegen – der FPÖ zu.

Die Botschaften der ÖVP in Richtung FPÖ fallen daher im aktuellen Wahlkampf auffallend deutlich aus. Für eine mögliche Fortsetzung der Koalition stellt Stelzer klare Bedingungen: "Bisher ist die FPÖ in Oberösterreich anders als im Bund. Aber wir werden genau dar auf schauen, ob sie sich gegen den Kurs des Hasses und des Gegeneinander-Aufwiegelns durchsetzen kann." Nachsatz: "Oberösterreich wird mit mir kein Kickl-Land werden."

Die abtrünnigen ÖVP-Wähler, die 2015 in Richtung FPÖ abwanderten, will er wieder in den Schoß der Mutterpartei holen: "All jenen, die 2015 vielleicht zum ersten Mal FPÖ gewählt, dann Ibiza und die Strache-Abspaltung erlebt und jetzt auch noch Kickl geerbt haben, mache ich ein Angebot: Ihnen will ich diese Sicherheit bieten, die sie brauchen und die sie suchen."

In den Reihen der FPÖ sorgen die schwarzen Abwerbeversuche zumindest vorerst kaum für Unruhe. Laut aktuellen Umfragen haben sich die Blauen mit deutlich über 20 Prozent klar den zweiten Platz gesichert. Wenn auch deutliche Verluste drohen: Vor sechs Jahren waren Manfred Haimbuchners Blaue mit 30,4 Prozent noch nahe an die ÖVP herangerückt.

Haimbuchner selbst ist der Schritt von der Oppositionsbank auf den Landeshauptmannvize-Sessel durchaus geglückt. Nur schwer lassen sich bei ihm die sonst für FPÖ-Politiker typischen Verhaltensweisen ausmachen. Der Rechtsanwaltsanwärter gibt trotz steiler blauer Karriere nie den lautstarken Polterer, der mit verbalen Rundumschlägen das politische Umfeld niedermäht. Inhaltlich jedoch bleibt er meist stramm auf blauer Linie: Für die Vergabe geförderter Genossenschaftswohnungen etwa ist in Oberösterreich dank Haimbuchner der Nachweis von Deutschkenntnissen erforderlich.

Der Schlüssel zum schwarz-blauen Erfolg mag aber vor allem auch darin liegen, dass die ÖVP unter Stelzer deutlich mehr an den rechten Rand gerückt ist – insbesondere beim Thema Sicherheit und Integration hat man eine schärfere Linie gewählt.

Rote Bremsspur

Währenddessen befindet sich die SPÖ auf beständiger Talfahrt – ausgerechnet im traditionellen Industrie-Bundesland. Bei den vergangenen zwei Landtagswahlen rasselten die Roten von 38,3 Prozent um satte 20 Prozentpunkte herunter. Mit Birgit Gerstorfer gibt es nun erstmals eine Frau an der Spitze. Sie soll die Partei, die derzeit mit 18,3 Prozent auf dem dritten Platz liegt, wieder zu einem Zweier an der ersten Stelle führen. Damit wäre der SPÖ voraussichtlich ein zweiter Sitz in der Proporzregierung sicher. Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit und Pflege – mit klassischen roten Themen versucht man derzeit durchaus engagiert beim Wahlvolk zu punkten. Das allerdings mit ziemlich überschaubarem Erfolg: Laut Umfragen liegen die Roten derzeit nur bei schwachen 14 bis 18 Prozent. Und damit doch relativ deutlich vom zweiten Platz entfernt.

In den Reihen der Grünen hat man die Verjüngungskur an der Spitze spät, aber erfolgreich absolviert. Nach dem grünen Urgestein Rudolf Anschober hält jetzt der eloquente Stefan Kaineder das Zepter fest in der Hand. Mit einem engagierten wie thematisch etwas einseitigen Klima-Wahlkampf versucht der 36-Jährige die Oberösterreicher und vor allem die ÖVP von der eigenen Öko-Regierungsfähigkeit zu überzeugen. Umfragen sehen die Grünen, die vor sechs Jahren 10,3 Prozent erreichten, in einem beachtlichen Schwankungsbereich zwischen elf und 17 Prozent.

Pinke Selbstsicherheit

Für die Neos wird der angepeilte Einzug in den Landtag auch beim zweiten Anlauf erneut zur Zitterpartie. Die pinke Truppe rund um Spitzenkandidat Felix Eypeltauer liegt in den Umfragen wahlweise knapp über oder knapp unter der magischen Vier-Prozent-Hürde. Das Bangen um den Einzug scheint dem pinken Selbstbewusstsein aber wenig anhaben zu können. Eypeltauer zieht mit einer Selbstsicherheit durch die Lande, als stünde er knapp vor der Wahl zum Landeshauptmann.

Was alle Parteien eint: Das heikelste und brennendste Thema wird möglichst großspurig umschifft. Die Pandemie ist trotz Impfung nicht vorbei, die Infektions- und Hospitalisierungszahlen sind derzeit um ein Vielfaches höher als Anfang September 2020. Dennoch spielt Corona, anders als im Vorfeld der Wien-Wahl vor einem Jahr, im oberösterreichischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Wohl auch, weil sich Stelzer in der Hoffnung auf Konsolidierung nach dem Desaster des Jahres 2015 bemühen muss, (zurück)wechselwillige damalige FPÖ-Wähler zu überzeugen. Speziell im Innviertel ist die Impfquote niedrig, die Szene der Corona- und Impfskeptiker ist groß. Aus dieser Ecke kommt auch die bei der Landtagswahl (und teils auch den Gemeinderatswahlen) antretende Partei "Menschen Freiheit Grundrechte" (MFG).

An diesem Punkt schließt sich der Kreis zur Hausmannskost: Innviertler Knödel gelten als besondere Delikatesse. Aber im Hinblick auf Wahlerfolge will derzeit kein oberösterreichischer Politiker so richtig hinbeißen. (Markus Rohrhofer, 11. 09. 2021)