Fortnite auf dem iPhone? Eine baldige Rückkehr erscheint angesichts des Urteils unwahrscheinlich.

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Selten war ein Urteil in der Smartphone-Branche mit größerer Spannung erwartet worden. Ging es doch im Rechtsstreit zwischen Apple und Epic Games um nicht weniger als die Zukunft des App Stores. Am Freitagabend (MESZ) war es dann soweit, und geht man nach den offiziellen Reaktionen, scheint Apple einen großen Sieg davongetragen zu haben. Zeigte man sich bei dem iPhone-Hersteller doch umgehend erfreut, während Epic Games die eigene Enttäuschung kaum verbergen konnte.

Zwei Verlierer

Das ist auf den ersten Blick auch durchaus verständlich: Immerhin hat die zuständige Richterin fast alle Anklagepunkte von Epic abgewiesen – allen voran den Vorwurf, dass Apple rund um den App Store ein illegales Monopol betreibt. Und doch wäre eine solche Betrachtungsweise zu einfach, in Wirklichkeit haben nämlich beide Unternehmen verloren. Während Epic kaum etwas von dem bekommen hat, was man wollte, muss Apple seinen App Store in einem zentralen Bereich verändern – und das könnte potentiell teuer werden.

Konkret geht es um die Frage alternativer Bezahlmethoden. Dass Apple Apps generell davon abhält, auf solche zu verweisen, hält das Gericht nämlich für illegal. Die Konsequenz: Apple muss künftig zulassen, dass Apps mit "Buttons, externen Links oder anderen Handlungsaufforderungen" auf andere Bezahldienste verweisen. Und zwar eben Bezahldienste, bei denen Apple dann nicht wie gewohnt bis zu 30 Prozent mitverdient.

Vergleiche

Wem das irgendwie bekannt vorkommt: Erst vor wenigen Tagen hat sich Apple im Rahmen eines Vergleichs mit japanischen Wettbewerbswächtern auf Lockerungen in eben diesem Bereich eingelassen. Allerdings waren diese Änderungen sehr spezifisch auf eine App-Kategorie begrenzt, sogenannte "Reader"-Apps. Damit umschreibt man Apps, die nur Inhalte anzeigen, die anderswo – zumeist via Abo – gekauft wurden. Es geht also um die Spotifys und Netflix's der Welt.

Das jetzige Urteil betrifft hingegen sämtliche Apps – und vor allem auch Spiele. Und damit geht es ans Eingemachte. Denn während dem Vernehmen nach Apple über Apps wie Netflix schon bisher kaum etwas eingenommen hat – einfach weil die Nutzer wissen, dass sie sich mit dem einmaligen Umweg über die Webpage einiges an Geld ersparen können – hat man vor allem bei Spielen viel zu verlieren.

Finanzielle Details

Passenderweise bietet das Urteil auch konkrete Zahlen, um dieses Thema besser einordnen zu können. Demnach werden 70 Prozent aller Umsätze im App Store von Spielen generiert – dies übrigens gerade einmal von zehn Prozent der Nutzer, aber das nur am Rande. Noch deutlicher wird es bei den In-App-Käufen, die im Fokus des Verfahrens liegen: Dort entfallen 98 Prozent aller Einnahmen auf Spiele. Generell schätzen Experten die Einnahmen, die Apple mit dem App Store macht, zwar unterschiedlich hoch aus, sie bewegen sich aber klar im zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr. Anders gesagt: Es geht um viel, sehr viel Geld. Das auch, da Apples Gewinnmarge laut dem Urteil bei rund 70 Prozent liegt.

Wie stark sich all das nun tatsächlich auf das Geschäft des iPhone-Herstellers auswirkt, wird vor allem von zwei Faktoren abhängen: Da wäre einmal die Frage, wie Apple das Urteil umsetzen wird. Die Richterin hat sich offenbar bemüht, mit dem direkten Verweis auf den Begriff "Knöpfe" zu verhindern, dass Apple einfach nur das Setzen eines Links zulässt. Im Geiste des Urteils wäre es also korrekt direkte Zahlvorgänge in der App zuzulassen. Ebenso klar ist aber, dass Apple alles tun wird, um diese alternativen Bezahlwege möglichst unangenehm zu machen. Die Frage, ob Entwickler dann einfach einen Paypal-Button in ihre App integrieren können, oder ob sie doch auf Umwegen auf externe Webseiten verlinken müssen, wird aber entscheiden, ob das für irgendjemanden irgendwie interessant oder auch nur realistisch ist.

Genau hier kommt dann der zweite Faktor hinzu: Die Frage danach, wie viele App-Entwickler überhaupt Interesse an alternativen Bezahlwegen haben. Immerhin übernimmt Apple viele Aufgaben, die gerade für kleinere Entwickler eine deutliche Mehrbelastung wären. Es sind also längst nicht alle unglücklich über diese Situation. Heißt: Wenn es nicht sehr einfach wird, andere Wege zu integrieren, könnten viele lieber darauf verzichten. Wirklich interessant wäre so etwas aber auch finanziell vor allem für die wirklich großen Hersteller, die eigene Bezahlsysteme nutzen.

Fortnite? Bitte warten

Klingt eigentlich gut für Epic Games, bringt dem Spielehersteller selbst aber wenig. Denn auch wenn man sich gerne als der große Kämpfer für die Interessen kleiner App- und Spielehersteller positioniert, geht es natürlich immer zuerst um das eigene Geschäft. Für dieses kommt jetzt der Rest des Urteils eher ungünstig, eine Wiederaufnahme von Fortnite in den App Store schreibt dieses nämlich nicht vor. Ganz im Gegenteil hat die Richterin noch eine ordentliche Ohrfeige für Epic parat. Das Unternehmen muss nämlich 3,6 Millionen Dollar an Apple nachzahlen. Dabei handelt es sich um 30 Prozent von jenen 12,2 Millionen, die man über jene iOS-Version von Fortnite lukriert hat, bei der man einfach Apples Bezahlsystem durch das eigene ausgetauscht hat – und die prompt zum Rauswurf aus dem App Store geführt hat. Dass hier ein solch hoher Betrag zusammengekommen ist, liegt übrigens daran, dass iPhone-Nutzer zum Teil die alte Version noch einige Wochen weiterverwendet haben.

Historischer Sieg

Insofern ist die enttäuschte Reaktion von Epic-Boss Tim Sweeney aus Unternehmenssicht verständlich, die dazu gewählte Rhetorik – nämlich, dass man generell für den fairen Wettbewerb im Sinne von Entwicklern kämpfe – aber eher unpassend. Denn bei all den Einschränkungen bleibt doch, dass es sich hierbei um die größte Regeländerung in der Geschichte von Apples App Store handelt. Andere Apple-Kritiker feiern das Urteil entsprechend auch, der Mailanbieter Hey hat etwa umgehend angekündigt ein neue Version der eigene App entwickeln zu wollen, in der die Nutzer direkt für den eigenen Dienst zahlen können.

In diese Suppe könnte aber ausgerechnet Epic selbst spucken: Hat der Spielehersteller doch angekündigt, Einspruch gegen das Urteil erheben zu wollen. Geht der Streit in die nächste Instanz, dürfte die von der Richterin gesetzt 90-Tages-Frist für die Umsetzung durch Apple aber wohl hinfällig werden.

All das ändert aber nichts daran, dass die Zeiten für Apple definitiv härter werden, sind doch weltweit noch zahlreiche andere Klagen und Kartellverfahren zu diesem Thema anhängig. Die Börse reagierte jedenfalls auf das Urteil weniger gelassen als das Unternehmen selbst. Die Aktie von Apple gab umgehend um 3,3 Prozent nach. (Andreas Proschofsky, 11.09.2021)