Keine Berührungsängste: Damiano David von Måneskin stürzt sich in die Menge.

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"Encore": Der Name war eigentlich nicht Programm. Denn was ein Zusatztermin, also eine "Encore", eine Zugabe, hätte sein sollen, wurde zum Hauptprogramm der diesjährigen Festivalsaison. Nachdem sowohl das Frequency Festival als auch das Nova Rock – beide veranstaltet von Barracuda Music – abgesagt werden mussten, war das Nova Rock Encore für Fans der Festivalstimmung diesen Sommer bisher die einzige Möglichkeit, in Österreich in dieser Größenordnung abzurocken. Und sie kamen: Laut Veranstalter 15.000 an der Zahl.

"Impfwilliger als andere"

Viel zu motzen gab's nicht. Der Shuttle-Bus vom Hauptbahnhof in Wiener Neustadt fuhr verlässlich zum Schauplatz, dem Wiener Neustädter Stadion, dann noch ein Kilometer Fußweg bei 26 Grad und Sonnenschein, und schon ging es ans Passvorzeigen. Auch negative PCR-Test-Ergebnisse gewährten den Eintritt und Genesene, die eine Impfung erhalten hatten, konnten auch teilnehmen. 2G+ also. Die Securities schauten wirklich genau; man hatte nicht den Eindruck, dass irgendjemand ohne Nachweis in das Stadion gelangen könnte. Die Taschen wurden abgetastet, der Body gecheckt – fast schon eine erfreuliche Berührung in Zeiten des Abstandhaltens – und schon stand man ohne Wartezeiten auf dem angenehm überschaubaren Gelände. Ideal für Gehfaule und Gernsitzer: Lange Wege musste niemand zurücklegen, denn es gab ja nur eine Bühne, eine der Tribünen bot Schatten und gute Sicht.

Den letzten Slot (bis Mitternacht) übernahm Parov Stelar. Auch wenn der Electroswinger mit Rock nicht viel zu tun hat, vermochte er zu begeistern.
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Bei einem Pressetermin am späten Nachmittag zeigte sich Veranstalter Ewald Tatar über die Impfbereitschaft des Publikums zufrieden. "Man hat heute wieder gesehen, dass Konzertbesucher impfwilliger sind als andere" , so der Barracuda-Chef. 86 Prozent der Besucher, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Stadien aufhielten, waren geimpft, die restlichen 14 Prozent hatten einen negativen PCR-Test vorgewiesen.

Haben die auch eigene Lieder?

Pünktlich um 15.45 Uhr – da waren bereits Fleks, Russkaja und Jinjer aufgetreten – kamen die italienischen ESC-Gewinner Måneskin auf die Bühne. Sänger Damiano David zeigte viel Zunge, begrüßte das Publikum anerkennend als Bitches und Motherfuckers und zog sich irgendwann auch sein Netzhemdchen aus, weil der Mann eben keinen Stoff braucht. Wir erinnern uns, der Drogentest war negativ! Auch Victoria De Angelis, die ihren Bass im Halbspagat auf dem Boden hernahm, inspirierte einige Damen im Publikum, auf die die Kamera gleich gierig zoomte, ihre "nipples zu freen".

Haut und Leder bei Måneskin.
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Måneskin spielten hauptsächlich Coverversionen, gleich zu Beginn "Bury A Friend" von Billie Eilish, dann den 60ies-Klassiker "Beggin’," "Take me out" von Franz Ferdinand, "Somebody told me" von The Killers, "I Wanna Be Your Dog" von den Stooges. Wiewohl das Quartett mit gutem Sound und Energie überzeugte, fragte man sich schon, ob die eigentlich auch mehr eigene Lieder haben.

Mehr Geschrei erwünscht

Das Nova-Rock-erfahrene Publikum rümpfte über das Line-Up leicht die Nase: "Sehr divers heuer", formuliert es jemand optimistisch. Tatsächlich sind Måneskin oder Parov Stelar, der das Closing bestritt, nicht gerade, was der Härte verschriebene Herzen erweicht. Ein anderer sagt es gerade heraus. "Mehr Geschrei auf der Bühne hätte nicht geschadet, außerdem fehlt die Zeltplatzromantik. Früher war es einfach dreckiger." Stimmt, man kann hier quasi vom Boden essen.

Trotzdem sind die befragten Menschen zu 90 Prozent voll des Lobes: Die reibungslose Eintrittssituation und gute Organisation wird allenthalben gerühmt, die Freude, endlich wieder mal ein Festival besuchen zu können, steht den Leuten ins Gesicht geschrieben. Verständnis dafür, dass das Line-Up in Teilen etwas behelfsmäßig daherkommt, gibt es im Publikum aufgrund der schwierigen pandemiebedingten Einreisesituation für Bands aus dem Ausland überall. Angst vor Ansteckungen scheint dagegen niemand zu haben. Ob es wie bei anderen Festivals in jüngster Zeit zu Ansteckungen gekommen ist, werden wir erst erfahren.

Seiler und Speer übernahmen den Headliner-Slot.
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Einstweilen wird das Publikum von diesem Erlebnis zehren. Im Rahmen des Möglichen war es ein gelungenes. (abs, 11.9.2021)