Verliebt in einen Fußballer: Katharina Gorgi als Roxy.

Barbara Pálffy

Was war, was ist, und was wird kommen? Die Ära von Robert Meyer steht am Anfang ihres Endes, sie geht in die fünfzehnte und letzte Saison. Als Paul Abrahams Operette Roxy und ihr Wunderteam erstmals in ihrer deutschen Fassung aufgeführt wurde, 1937 im Theater an der Wien, stand die Operettenseligkeit sowohl gattungstechnisch als auch gesamtgesellschaftlich ebenfalls kurz vor ihrem Finale. Danach ging nicht mehr viel. Abraham sollte bald vor den Nazis in die USA fliehen.

Sein Werk baut Brücken zwischen der alten Welt des Operettenkitschs und der neuen Welt des smarten Schlager- und Big-Band-Sounds. Und auch Andreas Gergens Inszenierung der Fußballoperette scheint noch mit einem Fuß in der alten Volksopernwelt zu stecken und mit dem anderen in neue Zeiten wandern zu wollen.

Singen mit Mikroports

Die Teenager des Budapester Mädchenpensionats quietschen herum, Hausherr Robert Meyer spielt zum gefühlt 250. Mal sowie zum Gaudium des Publikums einen kauzigen Alten – diesmal den knausrigen schottischen Fabrikanten Sam Cheswick. Das Herandräuen der Nazizeit, das in mancher Nummer anklingt, wird in der Inszenierung kaum thematisiert.

Der Ton, der von den Sängerinnen und Sängern angestimmt wird, ist für dieses Haus eher neu: Die Operette wird mit Mikroports und Musicaltechnik gesungen, gesprochen wird eher dezent und fast natürlich – so etwa Katharina Gorgi als die titelgebende Roxy, Cheswicks Nichte, die sich in Gjurka Karoly verliebt, den Kapitän der ungarischen Fußball-Nationalmannschaft. Jörn-Felix Alt gibt den Mittelstürmer, der auf dem Feld der Liebe allerdings ganz defensiv agiert, mit poetischer Zurückhaltung.

Feuerwerke brennt Regisseur Gergen bei den großen Ensemblenummern ab. Da hat er tolle Ideen, da rackert sich die Mannschaft nicht weniger aufopferungsvoll und gekonnt ab als Fußballer in den höchsten Spielklassen. Die oft eher weniger als mehr bekleidete ungarische Nationalmannschaft (Kostüme: Aleksandra Kica) wird einem wohl noch länger im Gedächtnis bleiben, auch dank der lustvollen Choreografien von Francesc Abós.

Und die variable Bühne von Sam Madwar erweist sich gleich ab der ersten großen Nummer, Charming Boy, als vielseitige Bildermaschine. Ja: Bei dieser Produktion wurde ressourcentechnisch all-in gegangen, und das hat sich über weite Strecken auch ausgezahlt.

Bald Marko Arnautovic?

Ausgezahlt hat sich auch das Engagement von Kai Tietje. Der Roxy-Experte formt das Volksopernorchester zur stimmungsvollen Big Band und mehr. Allergrößten Einsatz zeigt auch Peter Lesiak als Tormann Jani Hatschek, Michael Havlicek als Roxys Beinahe-Gatte beweist sich als Virtuose des Weinens. Wurde am Ende vom Publikum ein Abgesang auf die alte Volksopernzeit gefeiert? Wie wird die neue Oper mit Lotte de Beer ausschauen? Und wird es Marko Arnautovic je als Hauptfigur in einem Musiktheaterstück geben, einem Fußballrapmusical vielleicht? Wir berichten. (Stefan Ender, 13.9.2021)