Man könnte meinen, es wäre langsam, aber sicher verboten worden. "Der namenlose Held wacht an einem Strand auf." Oida, wie oft hatten wir das schon? Aber Deathloop ist das egal, Deathloop macht das genau so. Eines muss man dem Spiel aber lassen: Colt findet dann recht schnell seinen Namen wieder. Eine seltsame Macht schreibt ihn mit weißer Leuchtschrift an die Klippen des No-Name-Wake-up-Strands. Was zur Hölle geht hier vor?

Colt muss den Loop auf der Insel Blackreef brechen.
Foto: Bethesda

Ja, das fragt man sich beim neuen Shooter aus dem Hause Arkane am Anfang sehr oft. Und dann immer weniger, wenn man sich drauf einlässt. Zur Story, die so merkwürdig wie abgefahren wie lustig ist: Auf der Insel Blackreef wurde durch ein nicht benanntes Ereignis das Raum-Zeit-Kontinuum durcheinandergewirbelt. Ein Team rund um Colt hat das genutzt, um den sogenannten Loop zu etablieren. Soll bedeuten: Derselbe Tag, also Tag eins des Loops, beginnt immer wieder von vorn. Nun wacht Colt an diesem Tag morgens am Strand auf und will den Loop brechen. Warum, weiß man am Anfang nicht.

Brich den Loop!

Ein Grund dafür dürfte Julianna sein, die sich gleich am Anfang bei Colt per Funk meldet. Sie etabliert sich als Gegenspielerin, wirft ihm vor, sie verraten zu haben – und schwört eines: alles daranzusetzen, Colt am Brechen des Loops zu hindern.

Eher weniger freundlich, dafür aber auch spielbar: Gegenspielern Julianna.
Foto: Bethesda

Das Schöne an diesem Setting: Colt weiß genauso wenig wie die Spielerin oder der Spieler selbst. Dementsprechend geht es auch vor allem um eins: Wissen. Colt findet im Laufe des Spiels immer mehr Hinweise, die allesamt abgespeichert werden: wo seine alte Wohnung ist, was seine Aufgabe auf der Insel war – und vor allem, wie der Loop zu brechen ist. Dafür muss er nämlich alle acht Verantwortlichen, die Visionäre, vor dem Ende des Tages erledigen. Und das ist sehr viel schwieriger, als es sich anhört.

Denn der Tag in Deathloop ist in vier Teile geteilt: Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend. Das funktioniert ähnlich wie in Zelda: Majora's Mask. In den insgesamt vier Gebieten sind die Gegner, Hinweise und Gegenstände innerhalb dieser Zeitebenen anders verteilt. Ist man sich am Morgen in Updaam, einer kleinen Stadt auf der Insel, sicher, dass man die ersten 50 Meter galant durchsprinten kann, sind am Nachmittag hier überall Gegner postiert. Manche für die Haupt- oder Nebenaufgaben relevanten Ereignisse lassen sich nur zu bestimmten Tageszeiten erleben.

Auf dem Präsentierteller

Aber Moment, werden Sie sich jetzt fragen, wie soll man denn acht Leute in vier Gebieten und vier Tageszeiten erledigen? Das ist der Punkt, das weiß man eben am Anfang nicht. Es sei nur so viel verraten: Die Zeitebenen werden so manipuliert, dass sich am Ende bestenfalls die Ziele fast alle gleichzeitig auf einem Präsentierteller versammeln.

Gut, jetzt haben wir das Konzept von Deathloop erfasst, wie sieht es mit dem Gameplay aus? Das erinnert stark an Dishonored. Kein Wunder, das ist ja auch von Arkane. In der rechten Hand tragt ihr meist eine Waffe, in der linken ein Gadget. Colts Hacking-Gerät zum Beispiel, eine Granate oder auch eine arkane Fähigkeit, die ihr einem der acht Widersacher abgeluchst habt. Darunter zum Beispiel Unsichtbarkeit für kurze Zeit oder das Teleportieren über kurze Distanzen. Wie in Dishonored eben.

Wer mag, kann per Dual Wielding richtig für Rabatz sorgen. Dafür sind die Chancen, ins Gras zu beißen, erhöht.
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Arkane lässt euch dabei die Wahl. Ihr könnt natürlich zwei Waffen Akimbo führen, in jede Gegnermenge reinpreschen und alles über den Haufen ballern. Dann werdet ihr wohl oder übel aber recht schnell das Zeitliche segnen. Deathloop ist zwar nicht bockschwer, wird aber vor allem gegen Ende hin recht herausfordernd, dabei aber nie unfair. Schleichen ist eben auch eine Option, Gegnern von hinten den Hals umdrehen, Fallen legen oder sie einfach nur ablenken, ihr habt die Wahl. Hatten wir erwähnt, dass Deathloop verdammt brutal ist? Ist es.

Zwei Mal sterben? Klar!

Wer sich eher für das Schleichen entscheidet, findet im Hacking-Gerät in der linken Hand einen guten Verbündeten. Damit lassen sich Kameras ausschalten, Geschütze umprogrammieren und Ablenkungen aktivieren.
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Wo wir es gerade mit der Schwierigkeit hatten: Julianna, die Hauptgegenspielerin, die Colt daran hindern will, den Loop zu brechen, hat die Möglichkeit, die Machenschaften des Spielers oder der Spielerin aktiv zu vereiteln. Plötzlich taucht sie in einer Mission auf und macht einem das Leben zur Hölle, vergleichbar mit einer Invasion in Darksouls. Der Clou: Wenn man will, können Onlinespieler die Rolle von Julianna übernehmen, so wird Deathloop zu einem Multiplayer-Game. Das ist eine tolle Idee: Sobald man die Einblendung sieht, dass Julianna das Spiel betreten hat, geht einem sofort der Kackstift. Man wird paranoid und schaut sich ständig um, wo die fiese Dame auftaucht und mit der Schrotflinte Colt auslöschen will.

Arkane Fähigkeiten gibt es selbstverständlich auch.
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Dazu muss noch das Roguelike-Feature erklärt werden. Colt darf zweimal sterben, bevor nach dem dritten Ableben der Loop von Neuem beginnt. Alle gesammelten Waffen, Gegenstände und Perks gehen dann verloren. Zum Glück findet man relativ fix eine Möglichkeit, das zu ändern. "Anreichern" nennt sich das und funktioniert mit einer Macht, die sich durch getötete Gegner und gefundene Gegenstände in der Welt anhäufen lässt. So kann man sich seine Lieblingsknarren und -fähigkeiten zusammensuchen und den eigenen Spielstil immer weiter optimieren.

Lichtstimmung gegen Matschtexturen

Sie merken schon, das ist alles sehr verwirrend. Und Sie können Gift drauf nehmen, dass es mir genauso ging beziehungsweise geht. Man blickt zwar immer mehr und immer besser durch die Machenschaften auf Blackreef durch, es gibt aber einen gewissen Punkt, an dem man von der Masse an Hinweisen, Tipps und Plottwists einfach erschlagen wird. Zum Glück fasst das Spiel alles Wichtige in kleinen Kästen und Zwischensequenzen zusammen, sodass man nie komplett verzweifelt dasteht.

IGN

Kritik muss man auch ein wenig an der Grafik auf der Playstation 5 üben. Über den Stil lässt sich streiten, das Setting ist fantastisch designt, herrlich kreativ und fast auf einem Absurditäten-Level wie Borderlands. Meiner Meinung nach hätte man das aber etwas hübscher machen können. Die verschiedenen Lichtstimmungen kaschieren hie und da über matschige Texturen oder unschöne Kantenbildungen hinweg, dafür gibt es im Leistungsmodus konstant 60 Bilder die Sekunde. Außerdem haben wir in der Testversion immer mal wieder ein Flimmern in Teilen der Level entdeckt – aber das ist nichts, was sich nicht mit einem Day-One-Patch beheben lassen dürfte.

Fazit

Wie ist Deathloop nun also zu bewerten? Sie haben es vielleicht gemerkt, Deathloop macht nichts wirklich neu. Dafür ist der Mix an Ideenklau aber immerhin ... nun ja ... doch wieder individuell. Das Majora's Mask-Feature ist toll implementiert, das Gameplay macht richtig Laune, und wenn man sich auf diese verrückte Welt einlässt, hat man immer wieder etwas zu lachen. Über diese Hürde muss man aber vor allem am Anfang drüber. Wenn man das schafft, wartet ein spaßiger Shooter, der einem genügend Freiheiten lässt, um nach dem Ableben nicht verzweifelt aufzugeben, sondern es einfach auf eine andere Art und Weise zu probieren. (Thorben Pollerhof, 13.9.2021)