Die aus Deutschland stammende Medizinerin und Virologin Dorothee von Laer ist Professorin am Lehrstuhl für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck.

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In ganz Österreich hat nun der Schulbetrieb wieder begonnen.

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Mit einer dreiwöchigen "Sicherheitsphase" hat am Montag auch in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten und der Steiermark für rund 650.000 Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr begonnen. In dieser Zeit sind für die Teilnahme am Unterricht drei Corona-Tests pro Woche durchzuführen, einer davon muss ein PCR-Test sein. Außerhalb der Klasse müssen Schülerinnen und Schüler eine Maske tragen. Die Testregeln gelten auch für das Lehrpersonal.

Für rund 51.000 Kinder in diesen Bundesländern ist es der allererste Schultag. Sie können von den Eltern in die Schule begleitet werden – diese müssen allerdings einen 3G-Nachweis vorlegen und im ganzen Schulgebäude eine Maske aufhaben. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland hat das Schuljahr bereits eine Woche früher begonnen.

Positive Fälle im Osten

Etwas über 500 positive Covid-PCR-Ergebnisse lautete die Bilanz der ausgedehnten Tests an Schulen in der ersten Woche nach Schulbeginn in Ostösterreich. Wobei die bisherigen Öffnungen bisher noch nicht ins epidemiologische Gesamtgewicht fallen, wie der Komplexitätsforscher Peter Klimek betonte: Die wirklichen Auswirkungen "sehen wir erst in den nächsten paar Wochen". Anhand der bisher vorliegenden Daten sei durch Schulöffnungen aber "noch nichts passiert, was epidemiologisch einen Einfluss gehabt hätte", sagte Klimek, der am Complexity Science Hub (CSH) Wien und an der Medizinischen Universität Wien forscht, im Gespräch mit der APA am vergangenen Sonntag.

Bis jetzt hätte sich unter den Schülern auch noch keine sonderlich große Dunkelziffer aufbauen können. Die Sommerschulen seien in "kontrollierten Settings" mit Tests abgelaufen. Die Infektionslage unter Schülern entspreche also gerade in etwa der der Haushalte insgesamt – "das ist jetzt einmal die Ausgangslage".

Diskussion um verkürzte Quarantäne

Allein in Wien befinden sich aktuell über 120 Klassen in Quarantäne. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will deshalb die Absonderungspflicht – wie es in Deutschland bereits der Fall ist – von zehn auf fünf Tage reduzieren, sofern ein negativer PCR-Test vorliegt. Derzeit beträgt die Quarantänezeit zwei Wochen, mit einer Freitestmöglichkeit nach zehn Tagen.

Außerdem soll – laut Faßmann – künftig im Falle eines positiven Testergebnisses nicht mehr automatisch die gesamte Klasse in Quarantäne geschickt werden, sondern nur noch das unmittelbare Umfeld des infizierten Kindes, also die Sitznachbarinnen und -nachbarn, daheim zu isolieren. Tut sich ein zweiter positiver Fall auf, sollen dann nur die ungeimpften Schülerinnen und Schüler in den Heimunterricht geschickt werden.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein von den Grünen steht diesem Vorschlag "positiv gegenüber", wie es auf STANDARD-Anfrage heißt. Sprich: Mückstein unterstützt den Vorstoß des türkisen Koalitionspartners. Aktuell werde der Vorschlag Faßmanns noch geprüft.

Am Wochenende hatten sich Medizinerinnen und Mediziner für einheitliche Quarantäneregeln in den Schulen ausgesprochen. Heinz Faßmann hat diesen Vorschlag ausdrücklich begrüßt.

Von Laer gegen "Durchlaufen" in Schule

Die Idee, nicht mehr die gesammelte Klasse in Quarantäne zu schicken, bezeichnete die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck im Ö1-"Morgenjournal"-Interview am Montag als weniger zielführend, "wenn man wirklich die Infektionen der Klasse gleich im Keim ersticken will". Dafür sei die Delta-Variante zu ansteckend. Sie mache es "relativ wahrscheinlich", dass sich auch Kinder, die weiter entfernt sitzen, anstecken.

Die Impfrate sei in Österreich etwa im Gegensatz zu Dänemark oder Großbritannien, wo die meisten Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie beendet werden, zu niedrig. Noch müssten ungefähr zehn Prozent mehr Österreicherinnen und Österreicher eine Infektion überstehen oder sich impfen lassen: "Wir brauchen noch eine Million Immunisierte, damit wir einen Gesamtschutz haben, damit wir die Pandemie wie in England oder Dänemark für beendet erklären können." Dann könne man auch die Kinder "entspannter behandeln". In dem Fall sei auch das Risiko, dass sich Erwachsene oder Ältere im Zuge einer in der Schule angefachten Welle infizieren, geringer.

Impfappell an Erwachsene

Von Laer appelliert daher an die Erwachsenen: "Bisher waren ja die Kinder solidarisch mit den Erwachsenen. Jetzt sollten die Erwachsenen solidarisch mit den Kindern sein und sich impfen lassen." Das Problem bei Corona-Fällen in den Schulen seien – abgesehen von durch Vorerkrankungen besonders gefährdete Kinder und Jugendliche – nicht unbedingt die Kinder, sondern mehr die Eltern beziehungsweise jene Kontaktpersonen der Kinder, die noch nicht geimpft sind. Derzeit sei Österreich jedenfalls "noch nicht bei dem Punkt angekommen, wo wir eine genügende Immunität in der Bevölkerung haben, um es auch bei Kindern mehr laufen zu lassen". Hierzulande sind knapp 60 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Sars-CoV-2 geimpft. In der vergangenen Woche ist ihr Anteil nur mehr um rund 0,6 Prozent gestiegen.

Im Falle von Risikokindern, etwa solche mit Herzerkrankungen oder Asthma, solle man, so von Laer, "durchaus erwägen", auch ohne Zulassung zu impfen. Die Studien mit Sechs- bis Zwölfjährigen würden gut aussehen. Erst kürzlich kündigte der Hersteller Biontech/Pfizer an, die Zulassung für diese Gruppe bald einzureichen.

Zu der von ihr geforderten Antikörperstudie fügte von Laer hinzu, ein österreichweiter Überblick wäre wichtig für eine zielgenauere Impfkampagne. Den Corona-Stufenplan der Bundesregierung für den Herbst bezeichnete sie als "sehr risikoreich": "Die Wahrscheinlichkeit, dass man rechtzeitig den Anstieg auf den Intensivstationen bremsen kann, ist nicht sehr hoch."

Appelle der Schülerinnen und Schüler

Die Schülerunion zog via Aussendung positive Bilanz nach der ersten Schulwoche: "Die erste Sicherheitswoche hat gezeigt, wie fundamental wichtig das häufige Testen an unseren Schulen ist", teilte die Bundesschulsprecherin Alexandra Bosek am Montag schriftlich mit. Sie sei dankbar, dass "durch die umfassende Teststrategie so viele Infektionsketten durchbrochen wurden". Aus Sicht der Schülerschaft sei Faßmanns Forderung nach einer kürzeren Quarantäne für Kontaktpersonen "äußerst sinnvoll". Die neuen Daten über die 82-Prozent-Impfquote bei Lehrpersonen "haben uns als Schülerschaft sehr erfreut".

Sie rief vor allem ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zur Impfung auf. "Wir sind weiterhin der Meinung, dass eine hohe Impfquote im Schulhaus die wirksamste Maßnahme ist, unsere Schulen sicher und offen zu halten. Deswegen appellieren wir weiterhin an alle Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen, sich und andere zu schützen, indem sie sich impfen lassen", schreibt die Wiener Bundesobfrau Carina Reithmaier.

Zum Schulstart im Westen Österreichs verschickten die Schulsprecherinnen und -sprecher von 32 Wiener Gymnasien einen offenen Brief an die Regierung. Diese rufen sie darin auf, "uns endlich zu schützen, Verantwortung zu übernehmen und uns in den Mittelpunkt zu stellen". Konkret fordern sie unter anderem die flächendeckende Einführung von Luftfiltern, eine Impfpflicht für Kindergarten- und Lehrpersonal sowie die Rückkehr der FFP2-Maskenpflicht im Schulgebäude. Zudem erinnern sie in ihrem Brief daran, dass die "kontrollierte Durchseuchung" von Kindern gegen Artikel 24 der UN Kinderrechtskonvention verstoße.

"Alles gurgelt"-Programm

Zurück zu den Tests: Ursprünglich hat das Bildungsministerium geplant, alle Schülerinnen und Schüler neben zwei Antigentests einmal wöchentlich in der Schule für einen PCR-Test spülen zu lassen. Alternativ hätte es auch möglich sein sollen, einen externen Test zu bringen. In Wien hingegen lautete die Regel, die Kinder zweimal wöchentlich via PCR zu testen und dafür ab der fünften Schulstufe auf das bereits etablierte "Alles gurgelt"-System zu setzen, wo daheim gespült beziehungsweise gegurgelt wird. Im Rest Österreichs (und auch an den Wiener Volksschulen) laufen die Tests dagegen über das "Alles spült"-Programm des Bildungsministeriums. Dabei wird grundsätzlich an der Schule getestet.

Nachdem in der ersten Woche in Wien auch andere Tests akzeptiert wurden, soll nun ab der zweiten Woche das "Alles gurgelt"-Programm voll ausgerollt werden. Ein Großteil der Schulen lagert die Tests dabei an die Schülerinnen und Schüler aus – sie sollen daheim gurgeln und die Tests dann in Abgabeboxen in der Schule einwerfen. Da dafür eine Registrierung nötig ist, damit auch die Schule Zugriff auf das Testergebnis hat, war am Sonntag Abend die "Alles gurgelt"-Startwebsite teils überlastet. Montag Früh war die Informationsseite kurzfristig nicht erreichbar, der Einstieg zum Gurgeln selbst funktionierte allerdings. (giu, 13.9.2021)