Bringt die Reform Gerechtigkeit für die verschiedenen Schulstandorte oder nicht? Die Meinungen gehen auseinander.

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Ein Schlagabtausch zwischen den Juniorpartnern. Als solchen kann man den Sonderlandtag im Wiener Rathaus mit wenigen Worten beschreiben. Auf der einen Seite die Grünen, der ehemalige Juniorpartner der Koalition in der Bundeshauptstadt, der zehn Jahre lang an der Seite der SPÖ regiert hat und die Sitzung im Rathaus eine Woche nach Schulbeginn im Osten Österreichs einberufen hat.

Auf der anderen Seite die Neos, die seit nicht ganz einem Jahr Teil der Wiener Stadtregierung sind und nun ihre Reform in Sachen Lehrstufenverteilung verteidigen müssen.

"Riesenflop"

Genau diese Reform ist es, die den Grünen aufstößt. Julia Malle, Bildungssprecherin der Wiener Grünen, sprach von einer Verschlechterung der Verhältnisse, wenn rund die Hälfte der Schulen in Wien nun mit weniger Lehrstunden auskommen müssen als bisher. Auch sogenannte Brennpunktschulen, die durch den von den Neos eingeführten Chancenindex explizit gefördert werden sollten, seien von Kürzungen betroffen: "Diese Reform ist einer der größten Rückschritte in der Wiener Bildungspolitik seit langem", sagte die Abgeordnete.

Das Ziel der Neos war es, das System der Zuteilung von Lehrerstunden zu reformieren – wie DER STANDARD berichtete. Der Bund finanziert die Planstellen, die Neos wollen mit ihrer Reform nun transparent machen, welche Schulen aus welchen Gründen welche Mittel bekommen. In der Theorie klinge das gut, in der Praxis habe sich die Reform aber als "Riesenflop" herausgestellt.

Muss Reform wehtun?

Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer hätten sich an die Grünen gewandt und von den Einsparungen berichtet, mit denen sie konfrontiert seien. "Diese Reform ist eine Verwaltungsreform", stellte Malle fest. Und in Richtung Neos sagte sie: "Ihr habt euch dabei nie die Frage nach Bildungsinhalten gestellt."

Malle zitierte auch den Verantwortlichen der Reform, Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Er habe gesagt, "bei mutigen Reformen tut es immer kurzfristig weh". Dem widerspricht Malle: "Eine gute Reform tut niemals weh." Eine gute Reform brauche auch "keine Notmaßnahmen für Härtefälle".

Solides Fundament bauen

Die Neos sehen das klarerweise anders. Die Abgeordnete Bettina Emmerling trat an, um die Reform zu verteidigen. Diese bewirke, dass nun alle Kinder gleiche Bildungsvoraussetzungen hätten, "egal, ob sie in Favoriten, in der Donaustadt oder in Döbling in die Schule gehen". Auch der finanzielle Hintergrund der Eltern spiele keine Rolle mehr. Den Grünen warf Emmerling vor, "diesen Weg der Bildungsgerechtigkeit verlassen" zu haben.

Die Kritik, auf welche die Grünen ihre Argumente stützen, beziehe sich auf Einzelfälle, auf Schulen, die bisher mit Ressourcen "überproportional gut bestückt waren". Die Grünen hätten den Blick aufs Große und Ganze vergessen. Man wolle Schritt für Schritt "ein solides Fundament für ein gerechtes Bildungssystem bauen". Es gehe darum, "jede Schule zur besten zu machen und jedem Kind die gleichen Chancen zu geben", erklärte Emmerling.

Schutz für Afghaninnen

Eingebracht haben die Neos gemeinsam mit der SPÖ am Dienstag eine Resolution, in der sie die Regierung auffordern, Frauen aus Afghanistan Schutz zu gewähren. Wien als Menschenrechtsstadt stehe bereit. Anders als bei früheren Resolutionen an die Bundesregierung in Sachen Flüchtlingsaufnahme waren die Grünen diesmal nicht in die Antragstellung involviert. (Rosa Winkler-Hermaden, 13.9.2021)