Um den sechsjährigen Buben, der bei dem Seilbahnunglück am 23. Mai seine Eltern und seinen Bruder verlor, tobt nun ein Sorgerechtsstreit.

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Rom – Der einzige Überlebende des Seilbahnunglücks am Lago Maggiore im Mai, ein sechsjähriger Bub israelischer Abstammung, wird in einem Krankenhaus in Tel Aviv behandelt, nachdem er von Angehörigen mütterlicherseits aus Italien nach Israel gebracht wurde. "Eitan bekommt die bestmögliche physische und psychologische Behandlung", versicherte die Tante des Kindes, die den Buben nach Israel mitgenommen hatte. Im Hintergrund läuft ein Sorgerechtsstreit mit anderen Angehörigen.

Das Kind hatte bei dem Absturz einer Seilbahngondel am 23. Mai seine beiden Eltern und seinen Bruder verloren. Insgesamt kamen bei dem Unfall im Piemont 14 Menschen ums Leben. Ein Gericht ernannte daraufhin die in Pavia in der Region Lombardei lebende Schwester des Vaters zum Vormund. Das Kind wurde jedoch vom Großvater und der Tante mütterlicherseits nach Israel gebracht – und zwar an Bord eines Privatflugzeugs, das von Lugano aus startete, wie die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Montag berichtete. Die Staatsanwaltschaft von Pavia ermittelt wegen Kindesentführung.

Rechtlichen Aspekte interessierten Großmutter nicht

"Eitan ist nach Israel zurückgekehrt, wie seine Eltern gewollt hätten", sagte die Tante, Gali Peleg. Das Kind sei nicht entführt, sondern nur zu seinem eigenen Besten nach Israel zurückgebracht worden, berichtete die Frau laut Medienangaben. "Wir waren dazu gezwungen, das Kind nach Israel zu bringen, weil wir nicht mehr wussten, wie es um seine geistige und gesundheitliche Verfassung bestellt war. Wir konnten ihn nur für kurze Zeit sehen. Die Tante aus Pavia verschwieg uns seinen Gesundheitszustand. Wir haben ihn mit nach Hause genommen, so wie es seine Eltern für ihn wollten", sagte Peleg.

Die Frau betonte, dass das Kind glücklich sei, in Israel zu sein. "Die rechtlichen Aspekte interessieren uns nicht. Wir wollten eine Einigung mit der Tante aus Pavia erzielen. Wir wollten, dass Eitan eine Familie hat."

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Großvater

Die Staatsanwälte der lombardischen Stadt Pavia haben gegen den Großvater des Buben Ermittlungen wegen Entführung aufgenommen, weil Eitan italienischer Staatsbürger ist und nach dem Unglück seiner in Pavia lebenden Tante anvertraut wurde. Die italienischen Anwälte des Mannes berichteten, der Großvater habe aus Frust gehandelt, da es ihm in den vergangenen Monaten nicht gelungen war, die Stimme der Familie mütterlicherseits beim Verfahren zur Ernennung eines Vormunds für das Kind zur Geltung zu bringen.

Der Mann habe impulsiv gehandelt. "Man muss aber an die Situation eines Mannes denken, der im Ausland auf tragische Weise seine Angehörigen verliert und der sich bei den italienischen Behörden nicht durchsetzen kann. Wir werden uns engagieren, damit auch die Rechte der Familie mütterlicherseits in Italien anerkannt werden", so die Anwälte der israelischen Angehörigen.

"Pavia ist Eitans Heimat, die Stadt, wo er aufgewachsen ist und wo er die Volksschule begonnen hat. Wir machen uns große Sorgen um seine Gesundheit", so die Tante väterlicherseits. Diese berichtete, dass Eitans Großvater mütterlicherseits wegen Misshandlung seiner Ex-Frau verurteilt worden sei.

Der Familienstreit um Eitan sorgt in Italien für Aufsehen. "Mailand hat mit Bestürzung die Nachricht von der Entführung des kleinen Eitan zur Kenntnis genommen und verurteilt diese schwere Tat, die gegen italienisches und internationales Recht verstößt", so der Präsident der Jüdischen Gemeinde von Mailand, Milo Hasbani. (apa. 13.9.2021)