Wird der Flohmarkt am Naschmarkt bald in einer Halle stattfinden? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Auch die Stadt scheint von ihren Plänen nicht mehr so ganz überzeugt zu sein.

Foto: STANDARD/Newald

Reformbedarf sehen viele bei den Standln auf dem Naschmarkt. Die Qualität sei gesunken, kritisieren Anrainerinnen und Anrainer.

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Von einer Markthalle wie am Londoner Borough Market hat Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) noch vor einem Jahr geträumt. Mit der Idee, eine solche auf dem Wiener Naschmarkt-Parkplatz zu errichten, hat sie in den vergangenen Monaten polarisiert. Es handelt sich um das Areal beginnend bei der U4-Station Kettenbrückengasse, wo samstags der Flohmarkt stattfindet.

Keine zwölf Monate später nimmt Sima, Stadträtin für Stadtplanung, Mobilität und Innovation, das Wort "Markthalle" nicht mehr in den Mund. "Wir nennen es nicht mehr Markthalle", sagte sie unlängst im Interview mit der "Kronen Zeitung". Der Plan zur Umgestaltung stehe jedoch.

"Attraktiver Platz"

Das versichert dem STANDARD auch eine Sprecherin Simas. "Wir werten gerade die Bürgerbeteiligung aus, es sind tausende Beteiligte, die sich gemeldet haben, die aktiv mitgemacht haben." Nun werde alles gesichtet, und dann würden die weiteren Schritte besprochen. "Unser Ziel ist und bleibt die Begrünung der Megahitzeinsel, die Schaffung eines Grätzelzentrums und eines attraktiven Platzes für regionale Anbieter, von denen es in Wien erfreulicherweise viele gibt", so die Sprecherin.

Aber warum weicht die Stadtregierung von der Idee einer Markthalle ab? Und tut sie das tatsächlich? Oder will sie nur das in Ungnade gefallene Wort "Markthalle" nicht mehr verwenden? Die Argumente pro Halle waren zunächst, dass durch eine Überdachung Schatten gespendet würde, dass Photovoltaikanlagen befestigt werden könnten, aber auch, dass die Flohmarktstandler einen wetterfesten Platz bekommen würden.

Thema im Petitionsausschuss

Zwei sehr umtriebige Bürgerinitiativen hielten das Thema in den vergangenen Monaten am Laufen, und die Stimmen in der Öffentlichkeit, auch von Expertinnen und Experten, mehrten sich, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen.

Das sieht man auch, wenn man etwa die Stellungnahmen zu dem Projekt auf der Petitionsplattform der Stadt Wien durchgeht. Die Bürgerinitiativen hatten Unterschriften gegen die Errichtung einer Markthalle gesammelt – vergangenen Freitag wurde das Anliegen schließlich im Rathaus diskutiert.

Vertreter aus der Stadtregierung, aus den Bezirken, der Wirtschaftskammer, aber auch Expertinnen und Experten der Architektenkammer und der Universität für Bodenkultur waren eingeladen, ihre Meinung kundzutun.

Die geplante Begrünung und die Errichtung von Erholungszonen begrüßen alle in ihren Stellungnahmen. Die Wirtschaftskammer Wien rät jedoch von einer konsumfreien Zone ab, "da Erholungssuchende ihren Aufenthalt auch gerne mit dem Konsum von Erfrischungen in Verbindung bringen". Man bevorzuge eine geschlossene Markthalle zur ganzjährigen Nutzung, sieht die Lage in einem Stadterweiterungsgebiet aber als geeigneter an.

Dach "konterkariert" urbanen Freiraum

In der Stellungnahme der Universität für Bodenkultur wird darauf hingewiesen, dass als urbaner Freiraum ein "Raum unter freiem Himmel" bezeichnet werde, "der nicht überdacht ist und höchstens eine Park- oder Gartenarchitektur wie zum Beispiel einen Pavillon enthält". Hervorgehoben wird der "Unterschied zwischen der gebauten Struktur der Gebäude und dem Raum unter freiem Himmel". Mit dem Bau einer Markthalle würde dieser konterkariert, heißt es, auch wenn die Halle relativ offen gestaltet ist.

Die Architektenkammer weist darauf hin, dass das Areal unter zwei bauliche Schutzzonen fällt und es daher besonderer Behutsamkeit bei der Umgestaltung bedürfe. Es wird dringend dazu geraten, ein Gremium aus Expertinnen und Experten einzuberufen.

Neupositionierung des Nachmarkts?

Rahmenbedingungen also, die das Projekt Markthalle erschweren. Bleibt noch die Frage, warum nicht auch der ursprüngliche Teil des Naschmarkts bei der von Sima angedachten Umgestaltung berücksichtigt wird. Anrainerinnen und Anrainer beobachten einen zunehmenden Qualitätsverlust bei den angebotenen Waren und vor allem bei der Vielfalt der Produkte.

Warum also hinter dem Markt, der ohnehin eine Erneuerung vertragen würde, einen neuen Markt mit regionalen Spezialitäten aus dem Boden stampfen?

Sima aber sieht hier keinen Widerspruch. Als Vorbild für den neuen Regionalmarkt nennt sie den Neubaumarkt im siebenten Bezirk, der seit Mai wöchentlich stattfindet. Um die Qualität der anbietenden Standler auf hohem Niveau zu halten, wählt dort eine Jury aus, wer einen Platz erhält. (Rosa Winkler-Hermaden, 15.9.2021)