Rund fünf Stunden spazierte Guinness-Juror Richard neben der fahrenden Fritteuse die 120 Meter Schnitzel entlang, bevor er es vermessen konnte.

Foto: Planted

Mit den Fressrekorden ist das ja meist so eine Sache. Wer die Platte des Darmdurchbruchs beim XXL-Fastfood-King verdrücken kann, kriegt ein T-Shirt. Wer die schärfsten Chilis runterwürgt, ohne bewusstlos zu werden, gewinnt ein Glas Milch zum Nachtrinken. Sinnvoll ist das alles nicht. Auch nicht witzig. Na gut, wenn sich Bud Spencer und Terence Hill mit Würstchen und Bier um ein Auto streiten, lachen auch wir.

Aber hier ist das eh anders. Geht es doch um einen Vressrekord – also um einen veganen Fressrekord. Nicht einmal das, um genau zu sein, denn die Firma Planted trat an, das größte Schnitzel der Welt rauszubacken. Der Verzehr an sich lag nicht im eigentlichen Fokus, auch wenn die Verwertung des Riesenschnitzels schon geklärt war, bevor die Fritteuse überhaupt zu rauchen anfing.

Veganer Fleischersatz

Denn Nachhaltigkeit ist einer der Eckpfeiler des Unternehmens – einer erst seit zwei Jahren bestehenden Firma, die am ehemaligen Maggi-Gelände im schweizerischen Kemptthal, gar nicht so weit weg von Zürich, veganen Fleischersatz produziert. Sieht man sich deren Hühnerfleischersatz an, dann haben die Schweizer um 66 Prozent weniger Ausstoß von Treibhausgasen, um die Hälfte weniger Land- und Wasserverbrauch als Hühnerbauern.

Doch natürlich ging es bei dem Weltrekordversuch, das längste Schnitzel der Welt zu machen – und damit ein gewöhnliches Schnitzel vom Guinness- ins Geschichtsbuch zu verschieben –, um Marketing, nämlich darum, Aufmerksamkeit für das neue, achte Produkt von Planted, das Hühnerschnitzel, zu generieren. Und das gelang.

Das sah man nicht nur an den zahlreichen Gästen, unter denen sich zufällig auch zwei andere Weltrekordhalter befanden, wie Angela, die mit dem Wingsuit ins berühmte Buch flog, hier aber als Kampfveganerin aufschlug.

Stundenlang frittieren

Sie war kurz nach Mittag, als der Fritter angeworfen wurde, aber noch nicht da. Für die rund 120 Meter Schnitzel, die man vor der Firma auf zig Biertischen ausgerollt hatte, brauchte man eine fahrende Fritteuse, die ständig von zehn Personen bedient wurde. Fritter schieben, Schnitzel rein- und rausheben und die Arbeiten davor und danach – wie die Panier kontrollieren und am Ende alles wieder abdecken – brauchen viele Hände. Vor allem auch, weil das Rekordschnitzel nicht reißen durfte.

Das Schnitzel in der Länge zu produzieren war übrigens gar nicht so das Problem. Das kommt eigentlich schon so aus dem Extruder und musste nur seitlich zugeschnitten, auf- und, nach dem Transport ins Freie, wieder abgerollt werden. Letzteres und das Panieren waren die heikleren Vorgänge.

Schnitzel aus dem Glashaus

Der Extruder steht übrigens in einem österreichischen Glashaus. Das alte Maggi-Gebäude durfte nicht so umgebaut werden, wie es die Produktion erforderte, weshalb man ein riesiges Glashaus einbaute: Planted – Pflanzen – Glashaus – Sie verstehen schon.

Dort kann man so sauber arbeiten, wie es Lebensmittel erfordern. Auf der einen Seite steht ein Stück Fließband raus, wo die fertigen Pulled Porks, Kebab-Stücke oder demnächst auch die neuen veganen Hühnerschnitzel aus dem Werk kommen. Auf der anderen Seite steht der Extruder ein gutes Stück weit raus. Und was der macht, ist schnell erklärt.

Er presst mit zwei Spiralen eine vorgefertigte Mischung, wie in dem Fall hauptsächlich aus Erbsen, stark zusammen, erhitzt und zerkleinert sie, bevor sie von jetzt auf gleich durch eine Düse in drucklose Kälte entlassen werden, wodurch sich das Protein von kugelig auf faserig umwandelt.

Wer hat’s erfunden?

Erfunden haben das in diesem speziellen Fall die Schweizer – aber die Österreicher haben schon wieder die Nase vorn. Denn während das Hühnerschnitzel erst im Herbst im eigenen Webshop erhältlich sein wird, und im Jänner auch bei uns bei Spar, gibt es dieses in Wien schon.

Fast ein Dutzend Mitarbeiter tanzte ständig um die fahrende Fritteuse, am Ende halfen die Chefitäten beim Aufschneiden des Riesenschnitzels.
Foto: Planted

Beim Figlmüller. "Dort schmeckt es vermutlich besser", sagt Pascal Bieri, einer der Gründer von Planted, während wir bei Meter 35 neben dem Fritter stehen und einen veganen Kebab essen, den er von einem der Stände am Festplatz vor der Produktion geholt hat.

Rekord geknackt

Neben uns steht Richard, der Aufpasser vom Guinness-Buch der Rekorde, und wir haben die gut fünf Stunden, bis das Schnitzel fertig ist, noch ausreichend Zeit, über alles zu reden, bis dahin, dass er von London nach Schottland ziehen will. Nur Brexit und Corona lassen wir aus. Pascal Bieri erzählt stattdessen davon, dass kaum jemand der 110 international zusammengewürfelten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rein vegan isst, aber jeder sehr aufgeschlossen und gegen Tierleid ist.

Ganz ohne Blut geht es dann aber doch nicht. Eine Frau, die mit dem Rad vorbeifährt und begeistert zuschaut, stürzt. Sofort stehen zwei Männer bei ihr und versorgen sie. Schnitzelrekord hin oder her. Der war dann übrigens am frühen Abend geknackt. 119 Meter wurden es, sagt Richard. Die Menge jubelt kurz, bevor sie sich zum Schnitzelessen anstellt. Und auch wenn es gut war, hatte Pascal mit dem Figlmüller-Tipp am Ende dennoch recht.(Guido Gluschitsch, RONDO, 20.9.2021)