In Momjan in Kroatien betreibt Spitzenkoch Tom Riederer ein Gästehaus und Restaurant, wo er auch istrische Trüffeln verarbeitet.

Foto: Georges Desrues

Als Sandro Tončić einen Teller Eierspeis serviert, dicht bedeckt mit dünnen Scheiben Sommertrüffel, ist man noch skeptisch. Weitgehend fad schmeckende schwarz-braune Trüffel über alle möglichen Speisen zu hobeln ist nämlich gerade sehr angesagt.

Sogar in etlichen hippen skandinavischen Spitzenrestaurants, wo solche rein optische Effekthascherei vor wenigen Jahren noch als bourgeoise Eitelkeit verpönt war, ist man längst dazu übergegangen, den Gast mithilfe der dunklen und billigen Variante des edleren weißen Winterpilzes beeindrucken zu wollen. (Gleiches ließe sich übrigens über den leidigen Zuchtkaviar sagen. Aber das ist eine andere, wenngleich ähnlich geartete Geschichte.)

Der Hof Agriturizam Tončić liegt noch dazu in Istrien, einer Gegend, die berühmt ist für ihre weiße Wintertrüffel. Und in der man gerade in den Sommermonaten auf etliche mit dem Genuss des Pilzes eher weniger vertraute Touristen trifft, denen man mitunter alles Mögliche andrehen kann – solange es nur nach Trüffel aussieht. Ein Scheibchen des rohen Pilzes in den Mund gesteckt, belegt den Vorbehalt. Geschmack gleich null, Konsistenz eher labbrig.

Gleichwohl geht von dem Rührei ein überraschend wuchtiger und komplexer Trüffelgeruch aus. Die Eierspeise duftet und schmeckt ausgeprägt nach Wald, nach feuchter Erde, nach Nüssen und leicht nach Knoblauch – alles in allem eine Trüffelerfahrung der intensiven wie besonderen Art. Eine, wie man sie selbst mit der viel rareren, teureren und geprieseneren weißen Trüffel aus der Gegend um die piemontesische Stadt Alba nur selten erleben durfte.

Der Duft der Sommertrüffel

Die schwarze Sommertrüffel aus Istrien muss erwärmt werden, damit sie ihr volles Aroma entfalten kann.
Foto: Georges Desrues

Aber wie ist das möglich? Wie kann eine Sommertrüffel so intensiv schmecken wie eine Wintertrüffel? Der erste Verdacht fällt naturgemäß auf Trüffelöl, also jene unsägliche Flüssigkeit aus chemisch erzeugtem Trüffelgeschmack, wie sie einst stark verbreitet war in der "gehobenen Gastronomie" der 1990er-Jahre. Auf Nachfrage zeigt sich der Wirt pikiert. Trüffelöl verwende man selbstverständlich keines, die Pilze habe man selbst und mit eigenem Hund gesammelt, zischt Tončić. Und mehr will er dazu nicht sagen.

Also muss man wohl einen anderen Experten befragen. Einen Spitzenkoch wie Tom Riederer zum Beispiel. Der Steirer verbringt schon seit einiger Zeit einen Teil des Jahres in Istrien. Endgültig hier niedergelassen hat er sich, nachdem er vor wenigen Monaten seinen "Pfarrhof" in Sankt Andrä im Sausal an Harald Irka weitergegeben hatte.

Mit seiner Frau Katarina betreibt er jetzt zwei Boutique-Gästehäuser in der malerischen und hoch gelegenen Ortschaft Momjan, gerade einmal 25 Autominuten vom Agriturizam Tončić entfernt. Das Setting ist gewaltig, der Blick bis hin zum Meer geradezu atemberaubend. Und der Schwimmteich ist auch noch rechtzeitig fertig geworden.

Der richtige Umgang

"Na selbstverständlich kann auch die Sommertrüffel wunderbar intensiv nach Trüffel schmecken", sagt Riederer mit einem milden, wissenden Lächeln, "es kommt nur drauf an, wie man mit ihr umgeht." Denn wie die Wintertrüffel dürfe man sie keinesfalls behandeln. "Einfach nur drüberhobeln, wie man das mit der weißen macht, reicht da nicht", so der Koch, "die schwarze muss erwärmt werden, damit sie ihre Aromen entwickelt."

Etwa indem man sie reibt, in Olivenöl anröstet, etwas Butter dazutut und schließlich das Ei unterrührt. Fertig ist die Frittata beziehungsweise das Rührei mit den intensiven Trüffelaromen. "Allerdings darf dabei das Öl nicht zu heiß werden, weil das den Geschmack beeinträchtigen würde", sagt Riederer.

Ab in die Hitze mit der Trüffel

Zu Pasta oder Eierspeis schmeckt sie besonders gut.
Foto: Georges Desrues

Für die Zubereitung von Nudeln – die lokale istrische Spielart nennt sich Fusi – empfehle sich, den Pilz zuerst abermals möglichst fein zu reiben, wodurch sich der Geschmack besser entfalten könne. Danach ein wenig des leicht stärkehaltigen Kochwassers zu entnehmen, dieses mit Butter zu binden und einen Teil der geriebenen Trüffel dazuzugeben.

Darin schwenkt man die Nudeln kurz durch und verfeinert mit dem übrigen Teil der geriebenen Trüffel. "Das alles betrifft allerdings nur die schwarze Sommertrüffel, mit der weißen hingegen verfährt man anders", betont der Koch, "sie gehört einfach roh über das Ei beziehungsweise die Pasta gerieben."

Lizensierter Trüffelsucher

Seine Trüffel bezieht der zugereiste Steirer übrigens von einem gewissen Damir, einem lizenzierten Trüffelsucher, der zwecks Aufspürens des begehrten Pilzes ein Rudel von immerhin 25 Hunden unterhält. Zu ihm stellt der Neo-Istrier auch gerne den Kontakt für Besucher her, die an so einer Trüffelsuche teilzunehmen wünschen. Überhaupt vernetzt er gerne mit lokalen Erzeugern, deren Produkte er verarbeitet.

"Die Halbinsel hat freilich noch viel mehr zu bieten als nur Trüffeln", sagt Riederer, "unter anderem nämlich exzellentes Olivenöl, hervorragende Weine, handwerklich erzeugte Ziegen- und Kuhmilchkäse, das mürbe Fleisch der lokalen Rinderrasse namens Boškarin und natürlich eine Fülle an Fisch und Meeresfrüchten wie etwa zarte Seespinnen aus Savudrija oder süße Scampi aus der Kvarner-Bucht."

Mit Trüffel kombiniere er das alles jedoch nicht, betont der Wirt. Da sei es eher ratsam, um deren Geschmack am besten zu bewahren, möglichst unkompliziert und einfach zu bleiben und ausschließlich auf Nudeln und Ei zu setzen. Und zwar egal, ob nun gerade Sommer ist oder Winter. (Georges Desrues, RONDO, 17.9.2021)