Welch wunderbare Idee, Schwammerl zu züchten!
Foto: EPA / Hotli Simanjuntak

Pro
von Karin Bauer

Was kann man denn als Städterin schon groß tun, um sich einen Hauch des Gefühls der Unabhängigkeit von Welternährungskonzernen zu verschaffen? Immer mit Rad und Anhänger unterwegs sein, Maulbeeren, wilde Ringlotten, Wildzwetschken, saure Wildäpfel ankarren und einkochen, gut.

Nüsse sammeln, mahlen und dann bei jedem Weihnachtskeks extra darauf hinweisen: "Diese Nüsse sind ..." Brennesseln und anderen Beikräutern die Samen abrupfen, rösten und als Superfood beim Abendessen anpreisen, Meldenspinat machen. Ob irgendwo in der Erde heuer ein, zwei Topinambur gewachsen sind, ist noch zu früh zu sagen. Alles also eher limitiert mit der Unabhängigkeit. Aber Pilze!

Welch wunderbare Idee, Schwammerl zu züchten! Schon musste der Liebste verschiedene Hölzer und passende Sporen bestellen, welche demnächst injiziert werden. Er mag nur Steinpilze aus dem Wald, sagt er. Der wird schon noch sehen! Champignons hab ich schon in der Erdkiste im Keller.

Kontra
von Ronald Pohl

Man kann es mit John Cage halten und Mykologie als schöne Kunst betreiben: die Moosbetten des Alpenvorlands beschnuppern. Die eigene Kennerschaft zelebrieren. Sich irgendwelche Röhrlinge von unten besehen: Knollenfüßlinge, den gemeinen Gallensaftpilz, den platten Zögling, den Stinkstiefel, die mürbe Steckmorchel.

Sie alle miteinander ergeben, lustlos zubereitet, ein fades Ragout. Dann kann man noch von Glück reden, wenn man nicht ins Gras beißt! Meinen ersten Pfifferling erkannte ich erst, als er sich eines nasskalten Morgens unter der Sohle meines Gummistiefels versteckt hielt. Prompt erntete ich Schelte. Pilze wurden zu natürlichen Widersachern.

Ich merkte frühzeitig, dass auch gebackene Champignons nichts anderes sind als: die Verlängerung des gebackenen Emmentalers mit anderen Mitteln. Eben lukullischer Unsinn. Studentenverpflegung; mindere Kost für Einsiedler und andere Sonderlinge.

Die Kerle auch noch züchten? Nein, danke. (RONDO, 20.9.2021)