Schülerinnen und Schüler können sich wohl bald schon nach fünf Tagen mit PCR-Test aus der Quarantäne freitesten. Umstrittener ist, wer bei einem positiven Fall in einer Klasse überhaupt in Quarantäne muss.

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Im Westen haben die Schulen am Montag gerade erst wieder den Betrieb aufgenommen, schon bahnt sich eine erste Änderung der Corona-Regeln an – nämlich bei der Quarantänezeit für Schülerinnen und Schüler, die aufgrund eines positiven Tests eines Klassenmitglieds isoliert werden müssen. Wie berichtet, spricht sich Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) dafür aus, dass sich betroffene Schüler bereits nach fünf Tagen Quarantäne per PCR-Test freitesten lassen können. Bisher ist das frühestens nach zehn Tagen möglich. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein von den Grünen steht diesem Vorschlag nun auch "positiv gegenüber", wie es auf STANDARD-Anfrage heißt.

Bedeutet: Mückstein unterstützt den Vorstoß des türkisen Koalitionspartners. Aktuell werde der Vorschlag Faßmanns noch geprüft. Wie lange das dauert, sei derzeit nicht abzusehen, sagt Mücksteins Sprecherin. Dem Vernehmen nach dürfte es zeitnah eine Entscheidung geben. Für diese Freitestmöglichkeit von Schülern, von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, sei nur ein Erlass des Gesundheitsministeriums nötig. Eine explizite Zustimmung der Länder braucht es dafür nicht.

Wer muss in Quarantäne?

Geht es nach Faßmann, soll bei einem positiven Testergebnis darüber hinaus auch nicht mehr automatisch die gesamte Klasse in Heimisolation geschickt werden, sondern nur noch das unmittelbare Umfeld des infizierten Kindes, also die Sitznachbarinnen und -nachbarn. Tut sich ein zweiter positiver Fall auf, sollen dann bloß die ungeimpften Schülerinnen und Schüler in den Heimunterricht geschickt werden. So müssten laut Bildungsminister viel weniger Schüler in Quarantäne sitzen. Derzeit entscheiden darüber die jeweiligen Gesundheitsbehörden im Einzelfall.

Mit Schulbeginn in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten und der Steiermark am Montag befinden sich nun jedenfalls alle österreichischen Schülerinnen und Schüler inmitten der dreiwöchigen "Sicherheitsphase". In dieser Zeit sind für die Teilnahme am Unterricht drei Corona-Tests pro Woche durchzuführen, zumindest einer davon muss ein PCR-Test sein. Die Testregeln gelten auch für das Lehrpersonal. Im Osten ging es bereits vergangene Woche los. Die Sieben-Tage-Bilanz lautet hier: Mehr als 500 PCR-bestätigte Fälle wurden gefunden. Allein in Wien befinden sich aktuell über 120 Klassen in Quarantäne.

Schulsprecher fordern Schutz

Aus Sicht der Schülerschaft sei Faßmanns Forderung nach einer kürzeren Quarantäne für Kontaktpersonen "äußerst sinnvoll", sagt Carina Reithmaier, Bundesobfrau der Schülerunion. Die "wirksamste Maßnahme" sei aber "eine hohe Impfquote im Schulhaus". Weniger geduldig zeigten sich die Schulsprecherinnen und -sprecher von 32 Wiener Gymnasien: Sie riefen die Regierung in einem offenen Brief dazu auf, "uns endlich zu schützen" und "Verantwortung zu übernehmen". Ihr Schulstart sei begleitet von "großem Unbehagen und Unsicherheit".

Konkret fordern die Schulsprecher unter anderem die flächendeckende Einführung von Luftfiltern, eine Impfpflicht für Kindergarten- und Lehrpersonal sowie die Rückkehr der FFP2-Masken-Pflicht im Schulgebäude. Zudem erinnern sie in ihrem Brief daran, dass die "kontrollierte Durchseuchung" von Kindern gegen Artikel 24 der Kinderrechtskonvention verstoße.

Auch Experten skeptisch

Auch Expertinnen und Experten sind skeptisch. Die Idee, nicht mehr die gesamte Klasse in Quarantäne zu schicken, bezeichnete die Virologin Dorothee von Laer im Ö1-Gespräch als wenig zielführend. Die Delta-Variante mache es "relativ wahrscheinlich", dass sich auch Kinder, die weiter entfernt sitzen, anstecken. Ähnlich argumentiert der Mikrobiologe und Leiter der Schul-Gurgeltest-Studie, Michael Wagner, im STANDARD-Videodiskussionsformat "Mitreden". Man könne sich eine infizierte Person in einer Klasse wie jemanden vorstellen, der dort eine Zigarette raucht. "Jeder, der den Rauch riechen könnte, kann sich auch angesteckt haben." Darüber hinaus appellieren beide an Erwachsene, sich impfen zu lassen, um die Jungen zu schützen.

In Österreich sei die Impfrate etwa im Gegensatz zu Dänemark oder Großbritannien, wo die meisten Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie auslaufen, zu niedrig. Hierzulande sind knapp 60 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Sars-CoV-2 geimpft. Für einen Gesamtschutz, der es ermögliche, auch die Kinder "entspannter" zu behandeln, brauche es noch eine Million Immunisierte, sagt von Laer. Zudem empfiehlt sie, im Falle von Risikokindern – etwa solchen mit Herzerkrankungen oder Asthma – "durchaus zu erwägen", auch ohne Zulassung zu impfen. (13.9.2021, Anna Giulia Fink, David Krutzler, Katharina Mittelstaedt)