Dem Koralm-Pumpspeicherkraftwerk wurde am Donnerstag nach neun Jahren die Umweltverträglichkeit bescheinigt. Projektgegner würden immer kompromissloser und technologiefeindlicher, sagt der Anwalt und Rechtsprofessor Georg Eisenberger.

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Naturraum schützen oder alternative Energie erzeugen? Diese Frage stellt sich auf der Koralm. Auch die Sichtung des seltenen Alpensalamanders verzögert den Kraftwerksbau.
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Nach fünf Jahren ist sie da: die erstinstanzliche Genehmigung für das Pumpspeicherprojekt Koralm, das größte Speicherkraftwerk Mitteleuropas. Klar ist jetzt schon eines: Umweltorganisationen, Grünen-Politiker, aber auch die steirische Umweltanwältin werden sich mit negativen Superlativen überschlagen. In Presseaussendungen wird man von einem umstrittenen Megaprojekt, von einer Bedrohung für geschützte Arten und von Verbauung unberührter Natur lesen.

Klar ist allerdings auch etwas anderes: Die Klimakrise ist real, und wenn Österreich seine Klimaziele 2030 erreichen will, brauchen wir genau solche Projekte. Wer auch nur ein wenig Grundwissen über die Probleme der alternativen Energieerzeugung hat, der versteht, dass wir mit Solar-, Wasser- und Windenergie allein nicht in der Lage sein werden, Spitzenverbrauchszeiten abzudecken. Diese Energieerzeugungsformen haben stark schwankenden Output. Der – auch durch die geplante vollständige Elektrifizierung des Straßenverkehrs – weiter steigende Stromverbrauch soll nach dem Wunsch aller Parteien mit alternativer sauberer Energie abgedeckt werden. Damit dies gelingen kann, wird es notwendig sein, entweder die erzeugte grüne Energie zu speichern oder weiterhin Gas- und Kohlekraftwerke – mit den bekannten Folgen für den CO2-Ausstoß – vorzuhalten.

Notwendiger Eingriff

Mit Ausnahme der gaserzeugenden Staaten und der Gas- und Kohle-Importeure dürfte es wohl umfassenden Konsens in der Gesellschaft geben, dass (Pump-)Speicherkraftwerke die ökologisch bessere Variante sind. Dazu gibt es aus den verschiedensten Gründen im Süden Österreichs (Kärnten, Steiermark) keinen auch nur annähernd so guten Standort wie die Koralm. Weil aber die Kraftwerksform Pumpspeicherkraftwerk einerseits Speicherseen und andererseits eine möglichst große Fallhöhe benötigt, ist mit ihrer Errichtung zwangsläufig ein Eingriff in die Natur verbunden.

In den letzten 15 Jahren durfte ich Bewilligungswerber in fast 100 alternativen Kraftwerksprojekten in ganz Österreich vertreten, von Wasser- und Windkraftwerken bis zu Biowärme- und Photovoltaik-Anlagen. Die Argumente der NGO-Vertreter und Anrainer, die großteils mit dem Auto zur Verhandlung kommen, dort Handys und Laptops samt Ladekabel auspacken und sich über den klimatisierten oder geheizten Verhandlungsraum freuen, kann ich mittlerweile schon im Schlaf aufzählen. Es sind die gleichen Bürgerinnen und Bürger, die vehement von der Regierung mehr Einsatz bei der Erreichung von Klimazielen fordern.

"Aber nicht hier"

"Die Erzeugung alternativer Energie ist natürlich gut, aber nicht hier." Oder: "Wir brauchen keine neuen Kraftwerke, wir müssen Energie sparen, wir produzieren ohnedies genug davon." Diese Sätze habe ich schon gefühlte tausend Mal gehört. Jedes einzelne Projekt ist "umstritten", die Natur ist immer "gerade hier" besonders unberührt in der einen oder anderen Form. Kleine Kraftwerksprojekte haben "zu wenig Energieausbeute", um einen Eingriff in die Natur überhaupt zu rechtfertigen. Große Kraftwerksprojekte wie das Kraftwerk auf der Koralm sind wegen ihres "massiven Eingriffs in die Natur" abzulehnen.

Und wenn man lange genug sucht, findet man überall geschützte Tiere oder Pflanzen. Wie auf der Koralm den Alpensalamander, dessen Existenz von der Umweltanwältin so ins Verfahren eingebracht wurde, dass es dieses um fast ein Jahr verzögert hat. Oder wie mitten im Grazer Stadtgebiet eine Schlangenart.

"Der Umweltschutz gefällt sich im Micro-Management."

Die Projektgegner werden dabei immer kompromissloser und technologiefeindlicher. Es geht in Wahrheit eben gerade nicht um die Umwelt oder um den Schutz von Tier- und Pflanzenarten, sonst würde man akzeptieren, dass alternative Energieerzeugung und Energiespeicherung aus einem Blickwinkel des Gesamtartenschutzes alternativlos sind. Es geht um Verhindern und Verzögern. Um jeden Preis. Der Umweltschutz gefällt sich im Micro-Management, umgekehrt wird den politischen Entscheidungsträgern mit Klimaklagen gedroht und lautstark vorgeworfen, das große Ganze nicht in den Griff zu bekommen.

Unsinnige Polemik

Mit unsinniger Polemik, wie etwa der Bezeichnung des Koralm-Projekts als "Atomstromwaschmaschine", versuchen Projektgegner, gegen volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Vorhaben Stimmung zu machen. Leider ohne zu hinterfragen, ob Projekte wie dieses oder das Mur-Kraftwerk vielleicht einen sinnvollen Beitrag leisten, wenn wir global etwa gerade die Idee haben, im Straßenverkehr gänzlich auf Elektromotoren umzusteigen. Und ohne darzulegen, welches Alternativlebensmodell die mit Steuergeldern geförderten Micro-Manager des Umweltschutzes uns allen vorschlagen wollen.

Es ist selbstverständlich das Recht fundamentaler Umweltschützer, die mit alternativen Kraftwerksprojekten zwangsläufig verbundenen Eingriffe in die Natur aufzuzeigen und gleichzeitig weiter pauschal zu kritisieren, dass nicht genug getan wird, um den Klimaschutz in den Griff zu bekommen. Es ist aber auch an der Zeit, über die Skurrilität dieser Gesamtsituation zu diskutieren. (Georg Eisenberger, 14.9.2021)