Kunststoffentsorgung kann optimiert werden – innerhalb der EU zeigen sich im Ausmaß deutliche Unterschiede.

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Mit den EU-Vorgaben, die Recyclingrate von Plastikmüll bis 2030 auf 55 Prozent anzuheben, steht die Abfallwirtschaft unter Druck, ihre Abläufe grundlegend zu überarbeiten. In Österreich liegt die Recyclingrate laut neuen Berechnungen erst bei unter 25 Prozent. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind hier Sortieranlagen, die leicht wiederverwertbare Kunststoffanteile – etwa PET-Flaschen – aus dem allgemeinen Plastikmüll herausholen. Bevor hier neue Recyclingprozesse hinzukommen, lohnt es sich aber, die bestehenden Stoffflüsse effizienter zu machen.

"Die Sortieranlagen sind eine der wichtigen Säulen für das Erreichen der EU-Recyclingziele", betont Sabine Schlögl vom Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben. "Die meisten sind noch nicht auf dem dafür notwendigen technischen Stand." Mit dem Projekt "EsKorte", das im Programm "Produktion der Zukunft" der Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums unterstützt wird, möchten Schlögl und ihr Team zu einer Verbesserung dieses Status quo beitragen.

Abfall-Diversität

"Die Art des Kunststoffabfalls unterscheidet sich nach Land, Region, Sammelsystem und vielen anderen Kriterien. Deshalb geht es darum, die Stoffströme in den Anlagen besser kennenzulernen und die Aggregate – also die jeweiligen Maschinen, die die Sortieraufgaben übernehmen – auf diese Ströme hin zu optimieren", fasst die Projektleiterin zusammen. Neben einer Reihe von Wirtschaftspartnern ist an dem Projekt auch die RWTH Aachen beteiligt.

In den Sortieranlagen wird der Müll nach einer Reihe unterschiedlicher Methoden getrennt. Da sind unter anderem verschiedene Siebe, die kleine und zu große Partikel trennen. Es gibt sogenannte Windsichter, die mittels schneller Luftströme Folien und anderes Leichtgut aus dem Abfall herausholen, schildert Schlögl. Und es gibt technisch aufwendigere Systeme, die auf Basis von Nahinfrarotsensoren oder Farbkameras bestimmte Teile mittels Druckluftdüsen regelrecht aus dem Abfallstrom herausschießen.

Unterschiede in der gelben Tonne

Diese Maschinen sollen nun besser an die tatsächlichen Müllströme angepasst werden. "Das Input-Material unterscheidet sich auch innerhalb Österreichs massiv. In Wien werden beispielsweise im Kunststoffbereich nur Hohlkörper, also Flaschen, gesondert gesammelt. Bei uns in Leoben kommt jede Art von Kunststoff in die gelbe Tonne", gibt Schlögl Beispiele.

"Je nach diesen Voraussetzungen sollen die verschiedenen Aggregate mit für die jeweiligen Stoffströme angepassten Einstellungen gefahren werden – mit dem Ziel, ein Maximum der recyclingfähigen Wertstoffe herauszuholen."

Die Parameter der einzelnen Aggregate sollen den "optimalen Betriebspunkt abhängig von der Materialzusammensetzung" des Stoffstroms erreichen, sagt Schlögl. Bei Trommelsieben werden vielleicht die Einstellungen zur Lochgröße oder der Neigungswinkel angepasst. Den Druckluftleisten, die viel Energie benötigen, wird dagegen beigebracht, nur auf "sinnvolle Ziele" zu schießen, indem ihre Sensorik verbessert wird.

Individuelle Gegebenheiten

Wie weitreichend die Anpassungen sein können, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Das kann eine generelle Kalibrierung auf einen für die konkrete Anlage typischen Stoffstrom sein oder eine laufende Veränderung der Maschinenparameter in Echtzeit auf Basis von stetig erhobenen Sensorinformationen.

In weniger automatisierten Anlagen regeln oft noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ströme manuell. Hier könnte zum Beispiel ein Ampelsystem eingeführt werden, das bei zu großen Volumenströmen auf Rot springt, erklärt Schlögl – ein Vorschlag der Projektkollegen der Technischen Hochschule Aachen.

Um zu den Optimierungszielen zu gelangen, sollen auch mehrere Sensorquellen verknüpft werden, um daraus neue Erkenntnisse gewinnen zu können. "Messdaten zum Volumenstrom und zur Zusammensetzung des Materials können beispielsweise kombiniert werden, um zu sehen, mit welchen Mengen einer bestimmten Müllart die Aggregate fertigwerden müssen", erläutert die Wissenschafterin.

In fernerer Zukunft verbreiten sich vielleicht auch Machine-Learning-Algorithmen in der Müllsortierung. Dann könnte das System trainiert werden, aus Kamera- und anderen Sensordaten die effizientesten Einstellungen für einen Müllstrom automatisch zu finden.

Abfallwirtschaft 4.0

In der industriellen Fertigung sei man beim Einsatz fortgeschrittener Technologien bereits viel weiter, vergleicht Schlögl. "Dort ist es ganz selbstverständlich zu wissen, was genau in den Anlagen vor sich geht. In der Abfallwirtschaft ist das aber noch viel weniger der Fall." Mit den Mitteln der Digitalisierung könnte analog zur Industrie 4.0 auch der Trend zu einer Abfallwirtschaft 4.0 forciert werden. Alle Erkenntnisse des Projekts fließen natürlich auch in die Neukonzipierung einer kommenden Anlagengeneration ein.

Doch zuerst sollen die bestehenden Anlagen in Europa großflächig auf einen aktuellen Stand gebracht werden, betont Schlögl. "Der Entwicklungsgrad in diesem Bereich ist auch innerhalb der EU sehr unterschiedlich. In manchen Ländern wird in kleinen Anlagen per Hand sortiert, in anderen gibt es groß dimensionierte, vollautomatische Sortieranlagen." Das Optimierungspotenzial ist unterschiedlich, aber überall vorhanden. (Alois Pumhösel, 15.9.2021)