Die Glückwünsche aus Berlin kamen umgehend. Die Alternative für Deutschland (AfD) war unter den Ersten, die dem neuen FPÖ-Chef Herbert Kickl im Juni gratulierten. In ihrer Presseaussendung betonte die AfD "große inhaltliche Schnittmengen in der politischen Ausrichtung" mit den Freiheitlichen. Das kommt nicht von ungefähr. Kickl hat im Jänner 2020 die AfD in Berlin besucht und trat im Zuge seines Trips gemeinsam mit Fraktionschefin Alice Weidel und dem Ehrenvorsitzenden der Partei, Alexander Gauland, vor die Presse. Dabei betonte Gauland, dass von der FPÖ viel gelernt werden könne.

Alice Weidel, Alexander Gauland und Herbert Kickl in Berlin.
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Kickl sah das wohl ähnlich. Er sprach darüber, dass die Bevölkerung "ein regelrechtes Trauma" in den Jahren 2015 und 2016 "erlitten" habe, als Geflüchtete aus Syrien in Österreich ankamen. Es sei "eine Problemlage entstanden, wo es die größte Affinität zwischen Deutschland und Österreich" gebe. Daher müssten beide Parteien ihre "oppositionellen Anstrengungen akkordieren", referierte Kickl. Gauland pflichtete bei: "Wir haben ganz ähnliche Ziele." Es sei "klar, dass Österreich für uns Deutsche das Land ist, mit dem wir am ehesten zu einer Zusammenarbeit kommen, weil wir kulturell, politisch und sprachlich im Grunde genommen eins sind". Ganz ähnlich hatte sich Gauland 2017 ausgedrückt. Da verwies er auf "die gemeinsamen Traditionen" sowie die Sprache – und bezeichnete die FPÖ "als die uns am nächsten stehende Partei".

AfD unterstützt rechtsextreme Projekte in Österreich

Von einer Zusammenarbeit der beiden Parteien ist bisher allerdings nur wenig zu bemerken. Jedoch unterstützen die AfD und einige ihrer Mandatsträger rechtsextreme Projekte in Österreich. So inseriert die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag in der oberösterreichischen Print-Zeitschrift "Info Direkt", in der das ganze Spektrum des deutschsprachigen Rechtsextremismus zu Wort kommt. Von AfD- und FPÖ-Politikern über Identitäre bis hin zu ehemaligen Südtirol-Attentätern sind darin Beiträge zu finden. Damit nimmt "Info Direkt" eine Scharnierfunktion im rechtsextremen Milieu ein.

Ein ebenfalls in Oberösterreich angesiedeltes Projekt bekommt laut Recherchen des ZDF Geld aus Deutschland. Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter in Nordrhein-Westfalen, unterstützt die Videospieleschmiede Kvltgames mit einem monatlichen Betrag von 500 Euro. Das Softwareunternehmen ist bisher damit aufgefallen, dass eines seiner Spiele in Deutschland auf dem Index landete, da es allzu offen rechtsextreme Propaganda betrieb. Das Unternehmen unterhält seinen Firmensitz in einem Haus in der Ortschaft Steyregg, das von Identitären als Stützpunkt genutzt wird. Zusätzlich spendiert Beckamp Interessierten "Info Direkt"-Abonnements.

Sellner ruft zu Wahl der AfD auf

Umgekehrt unterstützen Teile der rechtsextremen Szene in Österreich die AfD. Identitären-Chef Martin Sellner ruft etwa in seinem Telegram-Channel dazu auf, die AfD zu wählen. Seit Sellner auf Youtube und anderen Plattformen gesperrt wurde, hat er zwar an Einfluss verloren, aber er spielt in Deutschland auch die Rolle des Stichwortgebers und Einheizers.

Auffällig ist auch, dass das Grazer "Freilich Magazin" über gute Verbindungen nach Deutschland verfügt. Auf seiner Onlineseite "Tagesstimme" finden sich Werbebanner der AfD zur Bundestagswahl. Gemeinsam mit dem Kampagnenprojekt "Ein Prozent" und dem Verlag Antaios wird ein Podcast betrieben. Die Unterstützung der AfD zeigt, wie eng verzahnt die deutschsprachige Rechte ist.

Österreicher in der Desiderius-Erasmus-Stiftung

Es sind auch Österreicher im Umfeld der AfD tätig, genauer gesagt für die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. In deren Kuratorium sitzen Lothar Höbelt und Norbert van Handel.

Norbert van Handel.
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Lothar Höbelt
Foto: APA

Die Stiftung steht seit Monaten im Kreuzfeuer der Kritik. Ihr wird von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis vorgeworfen, eine Netzwerkorganisation der Neuen Rechten zu sein, deren Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder Geschichtsrevisionismus und Holocaust-Relativierung sowie Hetze gegen Geflüchtete und Homosexuelle betreiben. Die langjährige CDU-Politikerin und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist das Gesicht der Erasmus-Stiftung. Ihr wird vorgeworfen, mit Tweets und Aussagen die NS-Zeit zu relativieren.

Andere Personen in der Stiftung sprechen sich gegen das Erinnern an die Verbrechen der Nazis aus, eine andere darf laut Gerichtsurteil als "Faschist" bezeichnet werden, wie die Webseite der Anne-Frank-Stiftung festhält.

Der Wiener Universitätsprofessor Lothar Höbelt ist kein Unbekannter. Seit Jahrzehnten kommt es zu Protesten von Studierenden gegen seine Lehrtätigkeit. Er tritt bei rechtsextremen Veranstaltungen auf, publiziert in einschlägigen Zeitschriften und bekennt sich zum Deutschnationalismus. Im Jahr 1998 verfasste er einen Beitrag in der Festschrift für den britischen Holocaustleugner David Irving, der wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz in Österreich später verurteilt wurde. Für Höbelt war das alles halb so wild, "der Holocaust war schlicht nicht Irvings Forschungsthema".

Strache bei Irving-Vortrag

Irving hatte schon bei Vorträgen in Wien und Leoben 1989 die Existenz von Gaskammern in Auschwitz und die Judenverfolgung unter Adolf Hitler in Abrede gestellt. Hitler habe "seine Hand ausgestreckt, um die Juden zu schützen", behauptete er. Wer ihm beweisen könne, dass Hitler von Verbrechen in Auschwitz gewusst hatte, dem biete er 1.000 englische Pfund. Bei einem Vortrag in Wien waren unter anderen der Holocaustleugner Gerd Honsik und andere Neonazis anwesend. Auch der spätere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war dabei.

Irvings Auftritte sorgte in jenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen, er war in den 1990ern einer der bekanntesten Leugner der Shoa. So spielt er in dem Dokumentarfilm "Wahrheit macht frei" eine zentrale Rolle. Es ist bemerkenswert, dass Höbelt nichts daran findet, feierlich über Irving zu schreiben. Darauf angesprochen, erklärte er dem Nachrichtenmagazin "Profil" im Jahr 2020: "Ich fand aber immer, wenn man einen Festschriftbeitrag für jemanden schreibt, heißt das nicht, dass man sich mit allem, was der je in seinem Leben gesagt hat, identifiziert." Nur hatte Irving in jenen Tagen nur ein Thema: die Leugnung der Shoa und die damit verbundene Verhöhnung der Opfer der Nationalsozialisten.

Die Dokumentation "Wahrheit macht frei" zeigt auf, welche Rolle David Irving spielte.
TSEastrail

Neben Höbelt taucht mit van Handel ein weiterer Österreicher im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung auf. Van Handel kandidierte im Jahr 2019 vergeblich auf dem achten Listenplatz der FPÖ-Bundesliste zur Nationalratswahl. Nachdem er den Einzug ins Parlament nicht schaffte, wurde er außenpolitischer Berater des damaligen FPÖ-Chefs Norbert Hofer. Bis zu seiner Kandidatur für die Freiheitlichen war van Handel "Spiritus Rector" und "Ehren-Prokurator" des Europäischen St.-Georgs-Ordens, eines elitären katholisch-konservativen Ordens mit prominenten Mitgliedern aus ÖVP und FPÖ.

An seiner politischen Verortung lässt van Handel wenig Zweifel. Vor wenigen Wochen schrieb er in einem Beitrag auf der Onlineseite "World Cconomy", dass "die Unterstützung der LGBT-Community" dazu führe, dass "alle christlichen Werte über Bord geworfen werden und zunehmend mehr multikulturelle religionsfeindliche Staaten entstehen, die der Invasion von Kulturfremden nicht mehr Herr werden". Damit bedient er klassische Rechts-außen-Erzählungen.

Manifest der Zivilgesellschaft

Bei einer erwartbaren Wiederwahl der AfD in den deutschen Bundestag würde die Desiderius-Erasmus-Stiftung ab 2022 eine Bezuschussung aus Mitteln des Bundeshaushalts in beachtlicher Millionenhöhe bekommen. Dass parteinahe Stiftungen in Deutschland aus Steuergeldern gefördert werden, ist üblich. Kritiker der AfD befürchten jedoch, dass mit dem Geld rechtsextreme Projekte unterstützt werden. Schließlich profitieren schon jetzt rechtsextreme Projekte von AfD-Geld.

In einem im Juni veröffentlichten "Manifest der Zivilgesellschaft" fordern verschiedene Organisationen die Politik auf zu verhindern, dass die Stiftung an die Millionen kommt. Zu den Unterzeichnern des Manifests zählen unter anderen die Bildungsstätte Anne Frank, der Zentralrat der Juden in Deutschland, Fridays for Future, der Deutsche Gewerkschaftsbund und Verdi. (Markus Sulzbacher, 22.9. 2021)