Immer noch gibt es keine offizielle Zulassung für die Impfung Schwangerer. In Österreich geht das nur mittels Off-Label-Use. Die Ständige Impfkommission in Deutschland hat nun ihren Beschluss überarbeitet.

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Sollten sich auch Schwangere impfen lassen? Diese Frage beschäftigt aktuell viele Frauen. Die Entscheidung für oder gegen die Impfung machen sich Betroffene nicht leicht. Auch weil die politische Diskussion rund um mögliche Sanktionen für Ungeimpfte immer weiter an Fahrt aufnimmt. Dabei müssen Frauen die Angst um ihre Gesundheit und die des Ungeborenen gegen mögliche arbeitsrechtliche Folgen aufwiegen.

Welche Auswirkungen diese persönliche Entscheidung haben kann, zeigt sich nun konkret am Beispiel der langjährigen Sopranistin des Salzburger Adventsingens. Die Darstellerin der Gottesmutter Maria, Simone Peßenteiner-Vierlinger, erhielt für diese Wintersaison vom Veranstalter Heimatwerk keinen neuen Vertrag. Der Grund: Sie ist nicht gegen Covid geimpft.

Ärztliche Empfehlung

Peßenteiner-Vierlinger ist die Entscheidung gegen die Impfung aber nicht leicht gefallen, sagt sie. Im Zuge ihrer vierten Schwangerschaft hätte sie sich jedoch – auf Anraten ihrer behandelnden Ärzte – gegen eine Immunisierung entschieden. "Zum Wohl des Kindes", wohlgemerkt. Der Veranstaltungschef Hans Köhl verteidigt indes seine Entscheidung. Er spricht vom notwendigen Schutz: "Für ihr ungeborenes Kind, für ihr Publikum." Köhl betont: "Ich will nicht die Verantwortung dafür tragen, dass sie sich infiziert."

Doch warum halten sich die Ängste vor einer Impfung in der Schwangerschaft so hartnäckig? Was empfehlen Gynäkologinnen und Geburtshelfer in der Praxis, und warum ändert die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland ganz aktuell ihre Empfehlung, Österreich aber noch nicht?

Risiko minimieren

Um kein unnötiges Risiko einzugehen, wurden die neuen Impfstoffe anfangs nicht an Schwangeren getestet. Entsprechend waren die Informationen zur Sicherheit und Wirksamkeit auch lange Zeit sehr begrenzt. Das hat Betroffene sicherlich verunsichert, ist bei Impfungen im Allgemeinen aber üblich. Auch Kinder sind, als besonders schützenswert, von Impfstoffstudien ausgeschlossen.

Einige Länder – darunter auch Israel und die USA – haben sich dazu entschlossen, Schwangere routinemäßig gegen Sars-CoV-2 zu impfen. Denn die Daten liegen inzwischen vor: Die Impfung ist für Mutter und Kind sicher und ähnlich wirksam wie bei Nichtschwangeren. Von den Erfahrungen profitiert nun auch die EU.

Die Stiko gab zu Wochenbeginn bereits grünes Licht für die Covid-Impfung für Schwangere – und das nicht nur bei erhöhtem Risiko. "Nach eingehender Beratung und Bewertung der vorhandenen Evidenz spricht sich die Stiko in einem neuen Beschlussentwurf jetzt für die Covid-19-Impfung von bisher nicht oder unvollständig geimpften Schwangeren ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel sowie von nicht oder unvollständig geimpften Stillenden mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs aus", heißt es im Detail.

Zuvor hatte die Stiko die Covid-Impfung nur Schwangeren mit Vorerkrankungen und Lebensumständen empfohlen, die das Risiko einer Infektion oder schweren Erkrankung erhöhen. Und das auch nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und ärztlicher Aufklärung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Der aktualisierte Entwurf wird zurzeit mit den Bundesländern und den beteiligten Fachgesellschaften abgestimmt. Änderungen sind also möglich. Danach wird ihn die Stiko im Epidemiologischen Bulletin veröffentlichen.

Nachzügler Österreich?

In Österreich gibt es noch keine explizite Empfehlung für Schwangere. Die Impfung ist ab dem zweiten Trimester möglich, in der Regel wird ab der 15. Woche geimpft. Das Nationale Impfgremium (NIG) schreibt in seiner aktuellen Empfehlung, dass "nach einer sorgfältigen individuellen Nutzen-Risiko-Evaluierung (...) die Impfung gegen Covid-19 mit einem mRNA-Impfstoff bei Schwangeren vorgenommen werden kann". Im Klartext handelt es sich dabei um einen Off-Label-Use. Was bedeutet, dass dafür keine offizielle Zulassung vorliegt.

Dennoch kann sie, nach ärztlicher Aufklärung und unter Eigenverantwortung, verabreicht werden – was Betroffene verständlicherweise verunsichert. Dabei ist während der Schwangerschaft praktisch alles Off-Label-Use, erklärt Martin Metzenbauer, Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie im Gespräch mit dem STANDARD. "So ist etwa Acetylsalicylsäure (ASS), also Aspirin, eine hervorragende Präeklampsie-Prophylaxe, aber es gibt keine offizielle Zulassung dafür", sagt er.

Die Österreichische Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (OEGGG) spricht sich bereits seit Monaten dafür aus, "Schwangeren aufgrund des erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf die Impfung zu ermöglichen". Einige internationale Fachgesellschaften wie das American Congress of Obstetrics and Gynecology oder das britische Royal College of Obstetricians and Gynaecologists gehen sogar einen Schritt weiter und empfehlen die Impfung ausdrücklich für Schwangere. Dennoch scheint es immer wieder Medizinerinnen und Mediziner zu geben, die Patientinnen von der Impfung abraten. Nicht immer passiert das aufgrund von gesundheitlichen Prädispositionen.

Positives Signal

Die neue Stiko-Empfehlung basiert auf einer Reihe von neuen Erkenntnissen, die in den letzten Wochen gewonnen wurden – "insbesondere zum Verlauf von Covid-19 in der Schwangerschaft und zur Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung in der Schwangerschaft und Stillzeit", sagt Marianne Röbl-Mathieu bei einem aktuellen Pressebriefing. Sie ist Gynäkologin und Sprecherin der Stiko-Arbeitsgruppe "Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft".

Man habe "jetzt eine systematische Aufarbeitung der Evidenz durchgeführt" und sei so zu einer "geänderten Nutzen-Risiko-Bewertung gekommen", heißt es. Die Sicherheitsdaten hätten jedenfalls kein Signal für unerwünschte Effekte gezeigt. "Obwohl man sagen muss, dass die Datenlage nach wie vor begrenzt ist", sagt Röbl-Mathieu. Deshalb sei die Aufklärung durch den Arzt – nach wie vor – sehr wichtig.

Bisher sei die individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung aber schwierig gewesen. Teilweise sei es selbst für Schwangere mit Vorerkrankungen schwierig, das Vakzin zu bekommen, da Ärztinnen und Ärzte ohne grünes Licht vonseiten der Impfkommissionen mit der Empfehlung zögern. Röbl-Mathieu spricht deshalb auch von Gerechtigkeit: "Nichtschwangere können sich jederzeit impfen lassen, Schwangere hatten einen erschwerten Zugang." Das Interesse sei bei Frauen jedenfalls groß. "Es gab aber auch viel Verunsicherung", sagt Mario Rüdiger von der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM).

Familienplanung: Vorher bitte impfen!

Expertinnen und Experten raten allen Frauen im gebärfähigen Alter, sich bereits vor einer geplanten Schwangerschaft impfen zu lassen. Denn dann seien sie während der gesamten Dauer ihrer Schwangerschaft auch geschützt, wie Stiko-Mitglied Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, betont. "Die Impfung in der Schwangerschaft ist unter dem Aspekt des Schutzes der Mutter immer die zweitbeste Wahl", sagt er.

Denn: "Bei einer Impfung kann es immer zu Reaktionen kommen, die auch mit Fieber einhergehen, das ist ganz normal", sagt Bogdan. Fieber sei in der frühen Phase der Schwangerschaft jedoch ein potenzieller Faktor, der eine Fehlgeburt auslösen könne. Deshalb versuche man, in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft schwere Infektionen zu vermeiden, aber auch schwere Impfreaktionen.

Die Skepsis und Angst vieler Schwangerer fußt bislang aber meist auf zwei medizinischen Hintergründen: Zum einen ist schon lange bekannt, dass sich während einer Schwangerschaft das Immunsystem verändert, um den Embryo zu tolerieren. Und zum anderen wissen Medizinerinnen und Mediziner, dass werdende Mütter oft deutlich schwerer an Influenza, Herpes oder Hepatitis E erkranken. Daten zu anderen Infektionskrankheiten sind nur begrenzt, da Schwangere von solchen Studien üblicherweise ausgeschlossen sind.

Vulnerable Gruppe

Auch bei Sars-CoV-2 gelten Schwangere als "vulnerable Gruppe". So zeigen etwa immer mehr Daten, dass Schwangere etwa sechsmal häufiger auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Auch eine Meta-Analyse – die 42 Beobachtungsstudien einschätzt – hat ergeben, dass Schwangerschaftsvergiftungen, Frühgeburten oder Totgeburten sowie Behandlungen auf der Intensivstation bei Schwangeren häufiger auftreten. "Die Schwangerschaft per se stellt einen unabhängigen Risikofaktor für einen schweren Covid-Verlauf dar", fasst Röbl-Mathieu zusammen.

Zu den weiteren Risikofaktoren zählen Vorerkrankungen, die bereits zu Beginn der Schwangerschaft vorlagen. Etwa: Adipositas, chronische Lungenerkrankungen, chronische Hypertonie und Diabetes. Dennoch mahnen die Expertinnen und Experten, nicht in Panik zu geraten. Denn auch wenn Schwangere häufiger schwer erkranken als Nichtschwangere, bleibe ihr Risiko für einen schweren Verlauf weiterhin gering – wie Bogdan und Röbl-Mathieu betonen.

"Ich glaube nicht, dass wir durch die abwartende Haltung Schwangeren massiv geschadet haben", sagt Bogdan. "Wenn das absolute Risiko für Schwangere so hoch wäre wie für 80-Jährige, hätten wir das auch sehr viel früher empfohlen."

Studien: Sicherheit und Wirksamkeit

Hinweise auf mehr Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt aufgrund der Covid-Impfung gibt es derzeit nicht. Die Analyse der Daten von knapp 36.000 geimpften Frauen im "New England Journal of Medicine" hat ergeben, dass Schwangere nach der Impfung etwas häufiger von Schmerzen an der Einstichstelle berichten, dafür aber seltener von Kopfschmerzen, Schüttelfrost oder Fieber sprechen.

Daten über die Langzeitwirkung oder Langzeitfolgen existieren bisher nicht: "Formal ist das noch nicht untersucht, und das sollte man machen, um auch diese gedankliche Baustelle definitiv zu schließen", sagt Bogdan. Bei anderen Impfungen seien aber keine Langzeiteffekte bekannt.

Aktuelle Daten aus Israel zeigen, dass der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer nach zwei Dosen eine Wirksamkeit von 96 Prozent gegen Infektionen, 97 Prozent gegen symptomatische Infektionen und 89 Prozent gegen Hospitalisierungen aufweist. Für die Untersuchung hatten Forschende Daten von insgesamt mehr als 21.000 geimpften und nicht geimpften Schwangeren ausgewertet und verglichen, wie häufig es in welcher Gruppe zu Infektionen und Erkrankungen kam.

Außerdem weist eine Kohortenstudie im "American Journal of Obstetrics Gynecology" darauf hin, dass Schwangere und Stillende nach einer Impfung ähnliche Titer von Antikörpern entwickeln wie Nichtschwangere. Und einer weiteren Untersuchung im Fachmagazin "JAMA" zufolge entwickelten Schwangere nach einer mRNA-Impfung neutralisierende Antikörper sowie eine T-Zellen-Antwort.

Ein Vorteil für Babys?

Auch Neugeborene scheinen von der Covid-19-Impfung der Mütter zu profitieren: So fanden Wissenschafterinnen und Wissenschafter neutralisierende Antikörper in Nabelschnurblut und Muttermilch geimpfter Mütter. Was bedeutet: Schwangere geben nach einer Covid-19-Impfung Antikörper an das Baby weiter.

Christian Bogdan: "Es ist immer Ziel einer Impfung in der Schwangerschaft, dass man einen Beitrag zum Nestschutz leistet." Das sei ein weiteres gutes Argument für die Sinnhaftigkeit dieser Impfung. (Julia Palmai, 16.9.2021)