Ein Brutfisch einer natürlichen Buntbarsch-Gruppe greift einen Räuber an. Erblickt ein Buntbarschweibchen einen Raubfisch, bevor es seine Eier ablegt, die dann von einem Männchen befruchtet werden, vermittelt es den Jungen schnelles Fluchtverhalten.

Foto: Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern

Buntbarsch-Mütter können über die Zusammensetzung dessen, was sie ihren Eiern an Inhaltsstoffen mitgeben, den Umgang ihrer Nachkommen mit Gefahrensituationen steuern. Erblickt etwa ein Barschweibchen einen Raubfisch, bevor es seine Eier ablegt, vermittelt es über Umwege den Jungen schnelles Fluchtverhalten, berichtet die österreichische Biologin Barbara Taborsky. In solchen Fällen bekommt das Gelege auch mehr Proteine in die Babynahrung, damit die Jungfische größer werden.

Bei vielen Arten können die Mütter Eigenschaften wie zum Beispiel Körperbau oder Wachstum ihrer Nachkommen abseits der Genetik beeinflussen. Dies kann, wie zum Beispiel bei Vögeln und Fischen, durch Veränderungen der Zusammensetzung der Eier geschehen, oder über Signale an den Embryo bei Säugetieren. Mütter und Väter können auch direkt über Brutpflegeverhalten auf ihre Nachkommen einwirken.

Die Eltern nehmen bestimmte Faktoren wie beispielsweise Nahrungsknappheit, Risiko durch Räuber oder sozialen Stress in ihrer Umgebung wahr, und senden entsprechende Signale an ihre Nachkommen, wobei sie sogenannte "elterliche Effekte" erzeugen. Diese Signale können die Nachkommen auf die zukünftigen Umweltbedingungen oder Stressfaktoren nach der Geburt oder dem Schlüpfen aus dem Ei vorbereiten.

Fische schauen Raubfischvideos

"In zwei Experimenten mit sozial brütenden Buntbarschen haben wir herausgefunden, dass Mütter durch eine gezielte Ausstattung ihrer Eier ihre Nachkommen auf erhöhten Raubdruck vorbereiten können. Nachkommen, deren Eltern während der Eibildung einen Räuber sehen konnten, produzierten Junge, die eine schnellere Fluchtreaktion zeigten", erklärt Taborsky, die als Professorin am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern tätig ist. Nachkommen von Müttern, denen vor der Eiablage Raubfischvideos gezeigt wurden, wiesen einen um 50 Millisekunden schnelleren Fluchtreflex auf, wie die Forscher im Fachjournal "PNAS" schreiben.

Frühere Versuche wiesen nach, dass dieser Fluchtreflex ausschlaggebend ist für die Wahrscheinlichkeit, eine Räuberattacke zu überleben. "Mit dieser Studie konnten wir erstmals nachweisen, dass ein mütterlicher Effekt auf die Eiausstattung nicht nur Wachstum oder Körperbau beeinflusst, sondern auch ein adaptives Verhalten der Nachkommen erzeugen kann", erklärt Taborsky.

Größere und kostspieligere Eier

In den Experimenten bekamen Fisch-Mütter mehrfach pro Woche Videoclips mit Raubfischen gezeigt, während einer Kontrollgruppe Videos von leeren Aquarien gezeigt wurden. Nachdem schnellere Fluchtreflexe bei den Nachkommen der Räuber-Versuchsgruppe gefunden wurden, wollten die Forschenden herausfinden, wie die Mütter ihre Nachkommen über das erhöhte Raubrisiko "informieren" können.

"Wir fanden heraus, dass Mütter der Räuber-Versuchsgruppe größere und proteinreichere Eier legten, also mehr Energie für jedes einzelne Junge aufwandten", sagt Taborsky. Weiter unterschieden sich die Nachkommen in den ersten Tagen nach dem Schlüpfen in ihren Wachstumshormonen, und waren auch größer. Zusätzlich zu ihrer schnelleren Fluchtreaktion würde in der Natur auch dieser Größenunterschied den Jungen einen Überlebensvorteil gegenüber Räubern verschaffen. Es braucht jedoch noch weitere Studien, um die biologischen Grundlagen derartiger mütterlicher Effekte vollständig zu verstehen.

Unklarer Informationstransfer

Die Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Verständnis, wie Eltern ihre Nachkommenschaft auf zu erwartende Herausforderungen vorbereiten. "Es ist bereits bekannt, dass bei Kindern die Ernährung und Schulung bereits in frühem Alter wichtig ist. Weit weniger bekannt ist bislang aber, wie Tiere Informationen über die zu erwartende Umwelt an ihre Nachkommen weitergeben. Dass Eltern vielfältige Möglichkeiten haben, Nährstoffe oder Hormone in ihren Eiern zu deponieren, um die Fitness, also das Überleben und den Fortpflanzungserfolg der Nachkommen zu beeinflussen, wurde lange Zeit ignoriert", so die Forscherin. (red, 18.9.2021)