Zu Corona fehlt es nicht an klaren, überzeugenden Erklärungen von Wissenschaftern. In dieser Kolumne soll einem weiteren, Walter Pirker, Leiter der Neurologischen Abteilung am Klinikum Ottakring, Raum gegeben werden – hauptsächlich deshalb, weil er ein entscheidendes Thema anspricht: Wie kommen wir an den "nicht völlig bescheuerten Teil der 30 Prozent Nicht-Geimpften heran"?

Das ist das Hauptproblem, wenn wir die Impfrate um jene entscheidenden zehn Prozent heben wollen, von denen die Virologin Dorothee von Laer spricht, wenn wir die Pandemie in den Griff kriegen wollen.

Professor Pirker: "Menschen, die mir wirklich am Herzen liegen, sind noch nicht geimpft. Der Grund z. T. natürlich auch mangelnde Bildung, der Hauptgrund aber Angst. Der Wissensstand der ‚normalen Leute‘ ist unvorstellbar niedrig, was natürlich mit der schlechten Science-Ausbildung in Österreich zu tun hat. Wir brauchen eine Positiv-Strategie, um an den nicht völlig bescheuerten Teil der 30 Prozent Nicht-Geimpften heranzukommen – ich schätze, das sind zwei Drittel –, damit hätten wir 90 Prozent Geimpfte. Wie wäre mal eine Pressekonferenz aller Parteiführer (außer dem Volksverhetzer, das würde den etwas isolieren), vielleicht nicht eiskalt (‚Gesundheit ist Privatsache‘), vielleicht mit einer Runde von Experten. Wie wäre ein kurzer Faktencheck jeden Tag: Eine Sorge eines Impfskeptikers mit der Antwort eines oder mehrerer Experten – fünf Minuten im Fernsehen jeden Tag (ich denke an den täglichen Faktencheck in der Washington Post zur Zeit der Wahl Trump – Biden). Wie wäre eine gemeinsame Werbekampagne – Politiker, Ärztinnen, Promis, Sportler – ,Wir tun was für unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Mitmenschen‘ ... Würde alles nicht sehr viel kosten und könnte dem Land ein halbes Jahr Mühe und einige Menschenleben retten. Natürlich brauchen wir auf der anderen Seite strenge Regeln, sanften Zwang, aber damit kommen wir nicht gut weiter."

Positivstrategie

Wie wär's wirklich mit einer Positiv-Strategie? Fällt schwer, wenn man an die Unmasse an unfassbar dummen, oft aber auch unfassbar zynischen und menschenverachtenden Zeitgenossen denkt, die in der ganzen Corona-und Impfthematik unterwegs sind. FPÖ-Politiker, die einen solchen hanebüchenen Unsinn verbreiten, wie den, dass "Impfen kein Gamechanger" sei; Poster, die allen Ernstes fragen, ob es richtig sei, dass die EU jetzt das Pferdewurmmittel als Medikament gegen Corona zulassen werde; anekdotische "Beweise", dass die Mehrzahl der Intensivpatienten Geimpfte sind (Copyright Herbert Kickl).

Aber es geht eben tatsächlich um die verunsicherten, zweifelnden, um jene, die nicht grundsätzlich gegen Impfung sind, aber glauben, sie könnten sich mit der Entscheidung noch Zeit lassen.

Die Voraussetzung für einen Erfolg bei dieser großen Gruppe wäre ein wirklich gemeinsames Vorgehen der "Stakeholder" in dieser Angelegenheit – also Regierung, die vernünftige Opposition, die Landesregierungen, Medien, die NGOs und der Sozialversicherungen. Warum dürfen etwa die Sozialversicherungen, die über alle Daten verfügen, nicht den Ungeimpften fixe Termine für Impfungen anbieten? Kann das alles so schwer sein? Oder haben die aufgegeben? (Hans Rauscher, 15.9.2021)